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Auch dicke Frauen sind schön„Ja, man sieht meinen Bauch“

Katrin Lange liebt Mode. Sie trägt Kleidergröße 54. Aber „Fat Acceptance“ ist in Deutschland noch nicht vorgesehen.

Katrin Lange betreibt ein Modeblog und fühlt sich als dicke Frau mittlerweile wohl. Foto: privat

Die ersten Fotos für ihren Blog schoss Katrin Lange mit ihrer Spiegelreflexkamera, einem Stativ und dem Selbstauslöser. Mit der Zeit wanderte das Set aus ihrem Zimmer in den Garten hinter dem Haus und schließlich auf das Dach ihrer Universität oder in die Bielefelder Einkaufsstraße – und so in die Öffentlichkeit. Mit der Zeit formte sich in Langes Kopf ein Gedanke: „Was wäre eigentlich, wenn ich anfangen würde, mich zu akzeptieren?“

Es ist ein einfacher Gedanke. „Aber er schlug in meinem Kopf ein wie eine Bombe“, sagt Lange. Ein Foto zeigt sie an einem sonnigen Tag auf der Treppe vor einer Haustür. Schwarze Hose, ein schmaler, weißer Gürtel, dazu ein ärmelloses schwarzes Top und eine pastellfarbene Chiffonbluse, die ihren Körper locker umspielt. Die Kleider haben die Größe 54.

Es ist nur eines von vielen Fotos auf Langes Modeblog „Reizende Rundungen“. Die studierte Grafikdesignerin ist 26 Jahre alt, kommt aus Bielefeld, ist Fat-Acceptance-Aktivistin und bloggt seit 2009 über Plus-Size-Mode. Dabei präsentiert Lange nicht nur die neusten Trends und ihre liebsten Modelabels. Sie bloggt über Selbstliebe. Darüber, dass auch dicke Menschen ein Recht darauf haben, ein zufriedenes Leben zu führen. Denn Mode, da ist Lange sicher, kann politisch sein.

„Ja, ich weiß, man sieht meinen Bauch ziemlich sehr doll in dieser Hose“, schreibt Lange unter dem Foto. „Aber ich habe beschlossen, dass mir das egal sein kann.“ Dieses Selbstbewusstsein ist bei Menschen mit ihrem Körperumfang keinesfalls die Regel. „Die Schönheitsnormen unserer Gesellschaft sind super engstirnig, vor allem für Frauen“, sagt Lange. Schönsein, das wird allzu oft gleichgesetzt mit Glücklichsein, mit Erfolgreichsein, mit Geliebtwerden.

Wer dick ist, ist faul, bewegt sich nicht, isst nur bei McDonald’s – so lauten die gängigen Vorurteile. In einer Studie des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas-Erkrankungen in Leipzig von 2012 nahm die Mehrheit der Befragten nicht nur an, dass Fettleibigkeit generell selbst verschuldet sei. Sie bewerteten dicke Menschen auch in Bezug auf ihren Charakter besonders negativ.

„Jeder glaubt, er hätte das Recht, mich öffentlich auf meine Gesundheit anzusprechen“, sagt Lange. Dabei wüssten diese Menschen weder etwas über ihren Lebensstil, noch würden sie sich um die Gesundheit anderer Fremder kümmern – etwa um die des Rauchers, der ihnen auf der Straße begegnet. „Etwas an mir stört sie“, sagt Lange. „Sie trauen sich aber nicht, zu sagen: ‚Du bist fett und hässlich’.“ Neuere IFB-Studien zeigen, dass die anhaltende Stigmatisierung sich oft im Selbstbild dicker Menschen widerspiegelt, etwa in Form starker Minderwertigkeitsgefühle. In der Folge ziehen sich viele Betroffene aus der Öffentlichkeit zurück. „Jahrelang habe ich mich nicht getraut, in der Öffentlichkeit zu essen“, weiß auch Lange zu berichten.

Schon als Kind war sie dicker als andere Kinder in ihrer Klasse. Nicht, weil sie faul war: Mit zehn Jahren war Lange Mitglied in der Rettungsschwimmergesellschaft, zwei Mal in der Woche ging sie zum Training. Trotzdem war sie überzeugt davon, unsportlich zu sein.

Jeder dicke Körper wird automatisch auch als kranker Körper gesehen

Ihre ganze Jugend über litt Lange unter ihrem Körper, quälte sich mit Kohlsuppendiäten und Weight-Watchers-Programmen.

Ich habe mir immer gesagt: Irgendwann bin ich dünn, und dann wird mein ganzes Leben besser.“ Doch die Diäten scheiterten, die Pfunde waren bald wieder drauf und das Selbstwertgefühl noch tiefer im Keller.

Schwarzes, knielanges Kleid

Dann kam das Jahr 2009 und damit das Abitur. Lange brauchte ein Kleid für den Abschlussball. Im Internet stieß sie das erste Mal auf Plus-Size-Modeblogs aus den USA und Großbritannien. Auf Deutsch gab es solche Blogs damals noch kaum. „Das war eine ganz neue Welt“, sagt Lange und lacht. Plötzlich sah sie, dass auch dicke Frauen schöne Kleider tragen können; dass es schöne Kleider für dicke Frauen überhaupt gibt.

Lange begann, selbst Modefotos von sich ins Netz zu stellen. Zunächst war das alles andere als ein gutes Gefühl. „Am Anfang fand ich mich auf 90 Prozent der Fotos immer noch hässlich oder zu dick oder falsch“, sagt sie. Doch mit der Zeit habe sich das geändert. Nicht zuletzt, weil ein guter Freund mit Erfahrung die Kamera in die Hand nahm – und Lange sich quasi durch seine Augen sah. „Das hat am Ende viel dazu beigetragen ein ganz anderes Bild von meinem Körper zu bekommen.“

Ein anderes Foto. Lange steht in einem schwarzen, knielangen Kleid auf einem Kiesweg. Neben ihr blühen die Büsche, über ihr leuchtet das saftige Grün eines Baumes. Lange trägt keine Strumpfhose. Gefühlt ist das eine kleine Revolution. Im Sommer 2014 sei es ihr das erste Mal egal gewesen, „ob Leute meine Beine sehen wollen oder nicht“.

Unsere Schönheitsnormen sind unerbittlich. Frauen sollen große Brüste und einen kurvigen Po haben, aber bloß keinen Bauch. Lange Haare auf dem Kopf, aber sonst nirgends. Und fast kein realer Mensch kann heranreichen an die Idealkörper, die uns jeden Tag auf unzähligen Kanälen begegnen. „Es gibt absurd viele Dinge, die an einem Menschen äußerlich ‚falsch‘ sein können“, sagt Lange. „Zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu viele Falten. Das kann jeden treffen.“

Wie im wahrsten Sinne des Wortes verrückt unsere medial geprägte Körperwahrnehmung ist, zeigt sich da, wo auf Fotos Beine verlängert, Brüste vergrößert, Nasen gerichtet werden und jede einzelne Hautfalte wegretuschiert. Wo es Schönheits-OPs für Schamlippen gibt und Frauen mit Kleidergröße 40 als Plus-Size-Models gelten. Für das eigene Selbstwertgefühl sei es wichtig, sich mit medialen Bildern identifizieren zu können, sagt Lange: „Was hätte ich als 16-Jährige dafür getan, dicke Vorbilder wie Adele oder Beth Ditto zu haben.“

„Das kann eine dicke Frau nicht tragen“

Die Fat-Acceptance-Bewegung entwickelte sich in den USA. Ende der 1960er Jahre gründete sich dort die National Association to Aid Fat Americans (NAAFA), um gegen die Diskriminierung dicker Menschen zu kämpfen und diesen mehr Selbstwertgefühl zu geben. Die AktivistInnen wehren sich dagegen, dass jeder dicke oder fette Körper automatisch auch als kranker Körper gesehen wird. In Deutschland ist Fat Acceptance gerade erst in der Entstehung. Doch neben Langes „Reizenden Rundungen“ gibt es inzwischen ein paar weitere deutsche Blogs; etwa „Nimmersatt“ oder „Conservatory Girl“.

„Immer wieder kommt der Vorwurf, es gehe uns um eine Idealisierung des Dickseins“, sagt Lange. Das sei Quatsch. Natürlich solle nicht jeder Mensch dick sein. Es gehe darum, die ganze Spanne von Körpern zu akzeptieren – von ganz dünn bis ganz dick. „Ich wünsche mir einen Laufsteg, auf dem neben einer Size Zero auch eine 38, eine 42 und eine 54 laufen, und dass das völlig normal ist.“

Mit der Zeit wurde Lange immer mutiger, immer rebellischer. Sie will mit den Normen brechen. Ihre Antwort auf das tagtägliche „Das kannst du als dicke Frau doch nicht tragen“ ist ein klares „Doch, kann ich“. Und so postet sie Fotos von sich in einer Korsage, im Querstreifenpulli, im Bikini – nicht ohne auch über ihre Unsicherheit zu sprechen. Lange ist heute glücklich damit, wer sie ist und wie sie aussieht. Gerade lebt sie in Großbritannien und legt eine Pause auf ihrem Modeblog ein. „Ich würde gerne zurückkehren zu meinem 16-jährigen Ich und mir sagen: Du wirst auch noch glücklich sein.“

Widerwärtigkeiten von Maskulinisten

Das, was dicken Menschen entgegenschlägt, ist oft alles andere als harmlos. „Hass ist ein starkes Wort, das will ich eigentlich nicht benutzen“, sagt Lange. Und doch: Bei manchem, was sie erzählt, drängt dieser Begriff sich auf. Da ist etwa der Blogeintrag von Detlef Bräunig, einem selbsternannten Maskulinisten und Unterhaltspreller. Grundtenor seiner Beiträge: Frauen sind zum Vögeln da, ansonsten sind sie vor allem eine Last.

Im Oktober 2014 schrieb Bräunig über dicke Frauen. So einen „Trümmer“ habe er sich auch mal „gehalten“. Dadurch sei sein „Spermahaushalt stets im optimalen Gleichgewicht“ gewesen. Es sei jedoch schwierig, diese verzweifelten dicken Frauen wieder loszuwerden. Peinlich werde es, „wenn der Sandsack flennend in die Firma rennt und einen dort sucht“. Nachdem Bräunig sich mehrere Absätze lang in seiner Misogynie gesuhlt hatte, erwähnte er Lange und empfahl seinen Lesern, sich auf ihrem Blog mal an einer „jungen und fetten Dame“ zu „ergötzen“.

Mehr als zwei Wochen brauchte Lange, um die Beleidigungen zu entfernen, die Männermagazin-Leser unter so gut wie jedem ihrer Fotos hinterließen. Von „fette Bratze“ bis „Wer mit der Sex hat, zieht sich doch alle möglichen Krankheiten zu“ hätten die Kommentare gereicht. „Das war ein kaum vorstellbares Level von Widerwärtigkeit“, sagt Lange. Solche Kommentare seien für dicke Frauen, die sich im Internet zeigen, tagtägliche Beleidigungen. Sie habe gelernt, damit umzugehen – „aber das sollte man nicht lernen müssen“.

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30 Kommentare

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  • Es gibt keine Menschen, die nicht abnehmen, wenn sie sich ein halbes Jahr lang täglich von Obst und Salat und einmal pro Woche Geflügel oder Fisch ernähren. Das gilt für Dicke wie für Durchschnittliche.

  • "Auch dicke Frauen sind schön"

     

    Ich sage eher: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Wer dicke Frauen schön findet - bittesehr! Ich mache es niemandem streitig. Aber ich kann mich diesem Geschmack nicht anschließen. Es wäre unehrlich.

  • Sehr empfehlenswert auch diese Doku zum Thema:

    http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=46418

     

    "Diabetes, Bluthochdruck und Herzinfarkte sind Folgen von Übergewicht, so die gängige Meinung. Stimmt das überhaupt? Mit Wissenschaftlern und Medizinern auf Studienfahrt durch die Welt des Body Mass Indexes."

     

    Hier kommen viele Wissenschaftler aus der ganzen Welt zu Wort, ich fand es sehr interessant.

     

    Fazit 1: Es gibt gesunde Dicke und kranke Dünne, es gibt nicht die Risiken für Dicke und die gesundheitliche Sicherheit für Dünne.

     

    Fazit 2: Es gibt für einige Krankheiten sogar eine längere Lebenswerwartung, wenn man eher zu dick ist.

     

    Fazit 3: Bewegung tut allen gut, dünneren und dickeren Menschen, aber nicht jeder wird davon automatisch schlank.

     

    Und der deutsche Hirnforscher zum Ende der Doku kommt dann auch zu dem Schluss, dass Fett(ansammlung) vor allem bei Stress zum Überleben hilfreich ist.

    • @Hanne:

      Ich fasse zusammen:

       

      1. Auch Dünne werden krank

       

      2. Übergewicht mildert vorübergehend die Symptome zehrender Krankheiten

       

      3. Bewegung ist gesund

       

      Epochale Erkenntnisse, zweifelsohne. Nur sehe ich daraus nicht, daß Übergewicht gesund sein soll.

  • Mir stellt sich bei solchen Themen immer die Frage, was an Schönheit so essentiell ist?

     

    Das sind die gleichen Argumente, warum z.b. nackte Frauen in der Werbung als Hingucker verwendet werden. Das Attribut schön ist ein Wertemaßstab, für Dinge und Menschen.

  • Ach übrigens. Auch fette Männer sind schön.

  • 1. Klare Zustimmung: Menschen sollten nicht diskriminiert werden. Egal wegen was. Das auf dicke Frauen zu fokussieren ist fast schon unfair allen anderen gegenüber. Ein Einsatz für eine Gesellschaft in der angemessen mit Vorurteilen umgegangen wird wäre wünschenswert.

    2. Zu behaupten "auch dicke Frauen sind schön" ist das gleiche wie zu behaupten "dicke Frauen sind hässlich". Das ist eine unzulässige Pauschalisierung und außerdem ist schön/hässlich dem subjektiven Empfinden unterworfen. Ich finde Frauen, die ich zu dick finde hässlich. Mir das auszureden ist respektlos mir gegenüber. Ich gehe selbstverständlich respektvoll mit ihnen um, wie ich mit allen anderen Menschen auch respektvoll umgehe.

     

    Jeder muss akzeptieren, dass es von manchen als hässlich empfunden wird und nur, weil man einer Gruppe angehört, die von vielen als hässlich empfunden wird kann man nicht die Subjektivität von hässlich und schön in Frage stellen.

     

    und nochmal: Selbstverständlich darf sich dieses "hässlich finden" nicht in Diskriminierung äußern, da gebe ich der Autorin recht.

    • @Fraigaist:

      Was mich dabei umtreibt: Sie hätten eine Lebensgefährtin, die mit zunehmendem Alter, wie nicht selten, dicker wird. Wie gehen Sie damit um ?

      • @lions:

        Ich bin mir recht sicher, dass die Verbundenheit, die ich zu einer Partnerin fühlen würde über einem ästhetischen Anspruch stehen würde.

         

        Oder einfach gesagt: Liebe macht blind.

         

        Außerdem: ich habe ja nicht gesagt, dass mein empfinden von schön oder hässlich überhaupt meine Partnerwahl beeinflusst.

        Sollte es tatsächlich so sein, dass ich dann nicht mehr mit ihr zusammen leben wollen würde, würde ich mich von ihr trennen, aber wie gesagt, das halte ich für sehr unwahrscheinlich.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Bei dem Thema muss man doch zweierlei unterscheiden: 1. die Diskriminierung, welche dicke Menschen aufgrund ihrer Körperfülle ausgesetzt sind und 2, das Krankheitsbild Adipositas. Letzteres zu verharmlosen und so zu tun, als ob Adipositas vollkommen normal ist, wäre fatal für jene, die von der Krankheit betroffen sind, die sich seit den 80er Jahren weltweit mehr als verdoppelt hat und heute in zunehmendem Maße bereits Kinder und Jugendliche betrifft. Die Ursachen hierfür will aber kein Staat wirklich bekämpfen, weil er sich damit mit der heimischen und internationalen "Nahrungsmittelindustrie" anlegen müsste. Insofern arbeiten die Diskriminierer, welche die "Schuld" bei den Dicken verorten, als unbezahlte Desinformaten dieser Industrie und sind deren nützliche Idioten.

  • Peter, Sie haben wirklich keine Ahnung. Das Gewicht eines Menschen spiegelt nicht direkt sein Ess- und Freizeitverhalten wider. Mit anderen Worten: Sehr viele Menschen ernähren sich sehr ungesund und sind dennoch dünn. Nur sieht man ihnen nichts an. Sie aber - wie eben so viele andere Menschen - stellen einen direkten Zusammenhang her, den es so nicht gibt: "Wer dick ist, ernährt sich ungesund und ist eine Belastung für alle. Und wer dünn ist, ist das Gegenteil". Das Gewicht ist außerdem nur ein Aspekt der Persönlichkeit; es kann sein, dass ein dicker Mensch nicht raucht, nicht trinkt und sich regelmäßig bewegt und auch aus anderen Gründen gesünder ist als jemand, der zehn oder zwanzig Kilo weniger wiegt.

     

    Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass es gut wäre, wenn die Menschen sich so verhielten, dass sie ihr Krankheits- oder Sterberisiko minimieren. Dazu gehört gewiss auch das Vermeiden von Adipositas. Nur gibt die Tatsache, dass jemand dick ist, niemandem das Recht, diesen Menschen auf sein Gewicht zu reduzieren und ihn damit zur Gefahr für die Gesellschaft zu deklarieren. Das Problem des Dicken ist, dass ihm sein Defizit (wenn man denn der Meinung ist, Adipositas als etwas Negatives zu bewerten), ansieht. Was man ihm nicht ansieht, sind sein Charakter, den Grad seiner Bildung oder das Ausmaß seines Verantwortungsbewusstseins, das sich vielleicht in ganz anderen Bereichen zeigt.

     

    Dem Dünnen sieht man gar nichts an, denn er scheint ja so "normal". Man weiß nicht, ob er faul vor der Glotze sitzt; ob er frauenverachtende Pornos guckt; ob er seine Kinder schlägt; ob er ein Rassist ist. Man hält ihn einfach für "normal" und damit für "gut". All das Negative projizieren wir einfach auf die Dicken. Irgendeinen Schuldigen braucht's halt immer.

    • @YvonneD:

      Wenn es Projektionen auf Dicke gibt, sind die genannten ganz allgemein wohl nicht dabei. Ich würde da als schlechte Projektion lediglich Bequemlichkeit und Maßlosigkeit unterstellen. Auf dicke Menschen wird auch einiges positives projiziert, wie Gemütlichkeit, Humor und ruhiges Gemüt, ob es dem entspricht oder nicht. Ich meine, lasst die Dicken doch so, wie sie sein wollen. Hier sind Toleranz und Selbstbestimmung maßgebend. Sie brauchen doch keine Belehrer, die ihnen sagen, das es mit gewissen Gesundheitsrisiken verbunden ist, wie eben andere Lebensweisen auch; Das wissen diese selbst. Kein Mensch wird nachhaltig sein Leben umstellen, weil er so nicht akzeptiert wird. Nein, genau das Gegenteil ist der Fall.

      • @lions:

        Da haben Sie wohl recht. Aber wenn Adipositas (eine folgenschwere Krankheit wohlgemerkt, der man sehr wohl beikommen kann) verharmlosend zu einer normalen Lebensweise verklärt und von allen als solche akzeptiert wird, ist das nicht der richtige Weg, damit umzugehen.

        • @Bjar:

          Völlig richtig. Nur haben Sie sich an anderer Stelle ziemlich eindeutig für Schweinefleischverzehr stark gemacht. Wie passt das zusammen?

          • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Gegen gelegentlichen Schweinefleischverzehr in Maßen ist aus gesundheitlicher Sicht nichts einzuwenden.

            • @Bjar:

              Es bleibt aber nicht bei "in Maßen", denn die meisten Leute verputzen mehrmals täglich Schweinegerichte. Aber ob der Mensch dabei gesundheitliche Schäden davonträgt, ist egal, weil es ist ja seine freie Willenentscheidung. Die armen Tiere in der Massenhaltung und - schlachtung, sie sind die Leidtragenden dieser Ernährungsperversion, deretwegen wir das überwinden müssen.

              • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

                Das Argument, der maßlose Verzehr von Schweinefleisch sei gesundheitsschädlich, ist kein Argument gegen das Schweinefleisch an sich, sondern gegen den maßlosen Verzehr von Schweinefleisch.

                 

                Und wenn das Schweinefleisch von Bioschlachthöfen kommt, wo die Tiere bis zur Schlachtung artgerecht gehalten werden?

                 

                Oben hast du dich für den Verzehr von Fisch und Geflügel stark gemacht und jetzt ist Fleisch essen für dich eine Ernährungsperversion, wie passt das zusammen?

        • @Bjar:

          "Epigenetische Veränderungen der Gene können auch durch die Verfügbarkeit von Nahrung ausgelöst werden. Besteht eine Notsituation mit sehr wenig Nahrung, dann ist es für den Träger der Gene von Vorteil – ja überlebenswichtig – wenn er mit sehr wenig Nahrung auskommt, nicht viel essen muss und die Nahrung sehr effektiv nutzen kann.

           

          Wenn wenig Nahrung vorhanden ist, ist die Neigung schnell dick zu werden, also einmal verfügbare Nahrung möglichst schnell und effektiv in den Fettreserven zu speichern von Vorteil. Genau dies kann durch die entsprechend den Umweltbedingungen veränderte Genexpression ermöglicht werden.

           

          Steht dann wieder genügend Nahrung zur Verfügung, werden diese Menschen schneller stark Übergewichtig und haben große Probleme schlank zu werden oder schaffen es auch mit größten Anstrengungen nicht ihr Übergewicht abzubauen."

          http://www.finanso.de/diaet-tipps/epigenetik-uebergewicht-vererbung-von-uebergewicht-hunger-fruehkindlichen-stress/

          • @Hanne:

            Also wie denn jetzt: Sind die Umwelteinflüsse nun total zu vernachlässigen, wie Sie unten mit Studien zu Zwillingsuntersuchungen unterlegen wollten, oder doch nicht, weil Epigenetik zum Spiel kommt?

            • @Bjar:

              Übringens: der zitierte Artikel handelt von der Rolle der Epigenetik bei der Entstehung von Alzheimer. Wie ¨finanso.de¨ (offenbar der Geheimtipp wissenschaftlich fundierter Publikationen) da den Bogen zum Übergewicht spannt, ist mir irgendwie verborgen geblieben.

               

              Dann noch eine kurze Gegenfrage zur Überlebenswichtigkeit einer epigenetisch veränderten Nahrungsmittelverwertung, bzw deren entscheidender Rolle bei Adipositasentstehung hierzulande: Hatten wir innerhalb der letzten 30 Jahre in Deutschland eine Hungersnot, die mir irgendwie entgangen ist?

  • Ich muss leider sagen, dass ich absolut gegen jede Akzeptanz von fetten Menschen bin.

    Es gibt da auch keine Bandbreite, jedenfalls keine so extreme. Natürlich ist es normal, dass es auch leute mit Kleidergröße 42 gibt doch darüber ist es einfach entweder eine Zuckerkrankheit, oder es fehlt einem die Disziplin. Wenn man sich gesund ernährt, also selten Fast Food, meistens Gemüse und regelmäßig Sport treibt, dann wird man zu 99% auch innerhalb eines vernünftigen Rahmens(bis 42) bleiben. Und die 1% der Leute für die das nicht gilt, sind eben krank und verdienen mein Aufrichtiges Beileid. Das alles gilt natürlich nur bis etwa 50, ab da ist es normal, dass sich ein Bauch bildet.

    Ich halte diesen Blog für eine gefährliche Verharmlosung von Übergewicht, dass ist in etwa so als würde man seine Karrieszähne fotographieren und dann ins Internet stellen, damit die Leute endlich die ganze Bandbreite von Zähnen akzeptieren von strahlend weiß bis schwarz/ausgefallen. Das wäre hochgefählrich, da man manche Leute davon abhalten würde etwas gegen ihren Zahnverfall zu tun.

    fG

    • @Peter Schutz:

      "ich absolut gegen jede Akzeptanz von fetten Menschen bin." Schade, dass ich nicht gegen jede Akzeptanz von dummen und vorurteilsbehafteten Menschen bin. Auch Sie haben mein aufrichtiges Beileid!

       

      Und mit Karies ist es leider auch genausowenig einfach wie mit dem Gewicht: Nicht alle Menschen, die Probleme mit Karies haben, ernähren sich ungesund und putzen sich nicht regelmäßig und richtig die Zähne. Was aber nicht dagegen spricht, dass es sehr sinnvoll ist, sich dennoch vorbildlich gegenüber seinen Zähnen (und dem gesamten Magen-Darm-Trakt) zu benehmen.

       

      Es gibt tatsächlich auch schlanke Menschen, die sich ungesund ernähren und kein Problem mit Karies haben. Diesen zu unterstellen, dass sie sich vorbildlich um ihre Gesundheit kümmern, ist genauso falsch, wie dickeren und/oder Menschen mit Karies, zu unterstellen, sie täten nichts für ihre Gesundheit.

    • @Peter Schutz:

      Sie scheinen ja heftig unter dicken Menschen zu leiden, wenn Sie zu diskriminierenden Aussagen wie in Ihrem ersten kommen. Frage: Wie wirkt sich eine Behinderung durch Dicke bei Ihnen aus ? Haben Sie das Gefühl, für solche Menschen Verantwortung übernehmen zu müssen, da es denen ja offensichtlich daran fehlt ? Können Sie sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die auf dicke Partner stehen und sind diese dann ebenfalls krank ? Ist Ihre Akzeptanz auf Menschen beschränkt, die alles dafür tun, bzgl. Gesundheit das max. Lebensalter zu erreichen ? Sollte Ihr Idealbild eines lebenswerten Lebens durchaus für alle gelten ? Was halten Sie von der Floskel "Leben und leben lassen" ?

    • @Peter Schutz:

      Sie haben leider keinerlei Ahnung vom Thema Übergewicht. Wer heute in diesem Zusammenhang noch das Wort Disziplin verwendet, macht sich lächerlich. Informieren Sie sich doch erst mal!

      • @planb:

        Naja, interessant zu sehen ist ja nuneinmal die zunahme der fettleibigen Personen (http://www.corenberg.com/wpcoren/wp-content/uploads/2011/12/OECD_Statistik_Fettleibigkeit_1990_2000_2009.png)

        Wie ist das zu erklären? Plötzliche Änderung der Gene? Oder wird die Ernährung einfach immer ungesunder und haben viele Sportvereine Nachwuchsprobleme, weil die Kinder lieber vorm Computer sitzen?

        • @Teleshopper:

          Auch wenn sich die Gene nicht großartig geändert haben mögen, das Nahrungsangebot hat sich dagegen sehr verändert.

           

          Die Arroganz vieler schlanker Menschen basiert oft auf Genen, die sie als "schlechter Futterverwerter" erscheinen lassen. Diese Menschen können lange Zeit so viel essen wie sie und was sie wollen, die werden auch im Extremfall nicht dick oder übergewichtig, würden aber z.B. in Hungerszeiten große Probleme bekommen, da sie kaum Energie aus Nahrung ziehen können.

           

          Die Menschen dagegen mit den Genen (und dem Mikrobiom) für "gute Futterverwerter" legen sicher schneller zu und das kann tatsächlich auch schon beim Verdauen von Pappe so sein, sprich: Also wenn sie kaum etwas essen.

           

          Landwirte kennen das auch: Sie müssen sich das Nutzvieh so auswählen, wie sie es von der Art her ernähren können. Es gibt z.B. Schafe, die müssen auf fetten Weiden stehen, sonst "verhungern" sie und andererseits gibt es Schafrassen, die hervorragend in kargen Gebirgslandschaften aus den wenigen Kräutern alles verwerten können. Sie wiederum würden auf fetten Weiden im Norden vor die Hunde gehen.

           

          Und nochmal zu den guten Futterverwertern: Sie müssen sich auch von etwas ernähren, denn sie liegen nicht nur im Bett, sondern gehen auch arbeiten, treiben Sport etc.

           

          Die Unterscheidung von individueller Physiologie und Verdauung wird leider beim Menschen in westlichen Ländern kaum beachtet, das wissenschaftliche Interesse dazu nimmt aber zu.

           

          In einem Buch einer Tochter von Auschwitz-Überlebenden las ich auch einmal, dass sie genau das Überleben der Eltern und elendsten Bedingungen bis zum Schluss als Begründung für die Kindergeneration, die schneller zulegt, heranzieht.

           

          Es gibt auch eine ältere Studie zum Niederländischen Hungerwinter und den Nachkommen aus dieser Zeit.

           

          Es lohnt sich sehr, sich zu informieren, bevor man Vorurteile behält.

          • @Hanne:

            Man kann aber eine Adipositas (das ist nicht ein bisschen Übergewicht, von ein paar Kilo, sondern Fettleibigkeit) nicht nur auf eine andere Nährstoffverwertung oder gar eine spezielle Darmflora reduzieren, da spielen schlechte Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel schon eine führende Rolle. Sicherlich verwerten wir alle aufgenommen Nährstoffe in unterschiedlichem Maße, aber nur deswegen wird keiner bei ausgewogener, maßvoller Ernährung und ausreichender Bewegung nicht fettleibig.

            • @Bjar:

              Es gibt nicht DIE Adipositas, sondern es ist eine stufenweise Einteilung nach BMI, soweit mir bekannt. Diese Einteilung hat allerdings nichts mit den Ursachen, die sehr vielseitig sind, zu tun.

               

              Hier noch ein bisschen Info-"Futter":

               

              "Zwillingsstudien deuten darauf hin, dass Übergewicht auch eine genetische Komponente hat. Sie wird in dieser Betrachtung mit 70 % angegeben. Außerdem fand man bei Adoptivkindern einen starken Zusammenhang zwischen ihrem BMI und dem ihrer leiblichen Eltern, aber keinen Zusammenhang zwischen ihrem Gewicht und dem ihrer Adoptiveltern."

              http://www.aerzteblatt.de/blog/60307/

              https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2336075?dopt=Abstract

              https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3941707?dopt=Abstract

               

              "aber nur deswegen wird keiner bei ausgewogener, maßvoller Ernährung und ausreichender Bewegung nicht fettleibig."

               

              Können Sie mir dann bitte eine stichhaltige Begründung für Ihre Ansicht liefern!

              • @Hanne:

                Also, erstmal will ich sagen dass ich auch keinen Schlankheitswahn vertreten und nichts gegen füllige Menschen habe, aber wie Bjar schon sagt hat alles seine grenzen.

                Als nächstes, da du ja so gerne "Fakten" Postest hab ich mir deine Links mal angesehen; das von dir verwendete Zitat ["Zwillingsstudien..."] kommt übrigends von Wikipedia. Und wenn du diese Seite schon verwendest, solltest du dir wenigstens alles durchlesen:

                Das erste was bei "Ursachen" aufgeführt wird ist folgendes:

                 

                "Adipositas tritt gehäuft in industrialisierten Ländern auf – insbesondere unter Lebensbedingungen, die durch wenig körperliche Arbeit bei gleichzeitigem Überfluss an Lebensmitteln geprägt sind."

                 

                Als nächstes wird erläutert das Studien zeigen, dass es zwar keinen direkten Zusammnhang zum Brennwert der Nahrung gibt, allerdings :

                "Es gab allerdings klare Hinweise darauf, dass die untersuchten Menschen meist zu viel Fett – insbesondere zu viele gesättigte Fettsäuren – und zu wenig Vitamine und Mineralstoffe zu sich nahmen."

                 

                "Zu viel und falsche Ernährung einerseits – zu wenig Bewegung (Energieverbrauch) andererseits – führen zu Überschuss bei der individuellen Energiebilanz eines Menschen. Per Lebensmittel zugeführte und nicht verbrauchte Energie wird letztlich in Fettdepots gespeichert."

                Es werden auch noch Zuckerhaltige Softdrinks zu den Hauptfaktoren genannt.

                 

                Dann kommen noch Soziale Umstände; wie wenig Bewegung, unregelmäßige Mahlzeiten, Frustessen, etc

                 

                Und schließlich steht bei "Genetischen Ursachen" kurz vor dem von dir verwendeten Zitat:

                „Da sich die genetische Ausstattung des Menschen in den letzten Jahrzehnten praktisch nicht verändert hat, ist die starke Zunahme von Adipositas in erster Linie das Ergebnis veränderter Lebensumstände.“

                 

                (Zum nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Adipositas)

                 

                Also bitte wirf anderen keine Fehlinformation vor, wenn du selbst ein Zitat aus einem Artikel verwendest, welcher eigentlich einen anderen Tonus hat :)

              • @Hanne:

                Dass eine genetische Komponente zum Übergewicht beiträgt, hab ich nie bestritten, lediglich, dass man den schwarzen Peter nicht alleine den bösen Genen zuschieben kann.

                 

                Dass eine Adipositas (ein BMI >30 kg/m², die Schweregrade werden in weitere Gruppen unterteilt) durch eine bestimmte Lebensweise mitverursacht wird, wird dadurch ersichtlich, dass Präventions- und Therapiemaßnahmen laut Leitlinie aus Ernährungs- und Bewegungsmaßnahmen bestehen.

                Dazu hier etwas "Infofutter":

                http://www.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=9

                 

                Nochmal: ich will nicht abstreiten, dass genetische Komponenten bei der Entstehung von Übergewicht beteiligt sind, und manche Leute haben es da leichter als andere, aber wenn übergewichtig zu adipös wird, hat der Betroffene in seiner Lebensweise auch seinen Anteil daran.