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Attentate in FrankreichMotive sind noch unklar

Die Franzosen rätseln über einen Zusammenhang zwischen der Attacke auf die jüdische Schule und den Soldatenmorden. Rassistische Motive sind eine Möglichkeit.

Schüler und Angehörige der jüdischen Schule in Toulouse. Bild: reuters

PARIS taz | Der Zusammenhang zwischen den drei schockierenden Verbrechen in Toulouse und Montauban bleibt vorerst unklar. Entsprechende Vorsicht ist deshalb beim Versuch nötig, Erklärungen zu finden.

Nach den Soldatenmorden vom 11. und 15. März tippten manche Beobachter auf einen Zusammenhang mit Afghanistan: Die beiden Einheiten, denen die Opfer angehörten, waren dort stationiert gewesen. Allein die Tatsache, dass drei der attackierten Militärs nordafrikanischer Herkunft sind und der Vierte ein Schwarzer aus einem französischen Überseedepartement, gibt Anlass zur Annahme, dass rassistische Motive im Spiele sein könnten. Das ist nun auch nach dem Attentat auf die jüdische Schule am Montag nicht ausgeschlossen.

Frankreich ist ein Land mit einer langen antisemitischen Vorgeschichte, die von der Dreyfus-Affäre bis zur französischen Kollaboration bei der Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs reicht und die so sehr im Widerspruch zu den humanistischen Grundprinzipien dieser Nation steht. Diese Wunden sind noch frisch.

Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder Friedhofsschändungen und auch Anschläge mit Sachbeschädigungen gegen Synagogen. Wie kriminell vermeintlich banale antisemitische Vorurteile sein können, erlebte Frankreich 2006, als die Vorstadtbande „Gang der Barbaren“ den jungen Juden Ilan Halimi entführte und schließlich zu Tode folterte, weil sie dachte, seine Eltern könnten ein hohes Lösegeld bezahlen.

Gerade in bestimmten Vorortsiedlungen hat der Antisemitismus durch den Nahostkonflikt ein neues Gesicht bekommen, da sich viele muslimische Jugendliche nicht nur mit den Palästinensern solidarisieren, sondern undifferenziert alle Juden für die israelische Politik mitverantwortlich machen. In den achtziger und neunziger Jahren war Frankreich auch im Visier des nahöstlichen Terrorismus.

1995 wurden bei der Explosion einer Autobombe vor einer jüdischen Schule im Lyoner Vorort Villeurbanne 14 Passanten verletzt. Seither werden in der Regel religiöse Einrichtungen im Rahmen der antiterroristischen Sicherheitsvorkehrungen speziell bewacht.

Das alles darf jedoch nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten. Gerade die Vorstellung, dass es für die Bluttaten von Toulouse und Montauban keinerlei rational klingende Erklärung gibt, wie in Oslo für das Vorgehen eines Anders Behring Breivik, dürfte für Frankreich angesichts der gestrigen Tragödie besonders unerträglich sein.

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10 Kommentare

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  • PD
    Piet den Bingen

    Jetzt dachte ich schon, mein Kommentar wäre hier der verschwörerischste von allen. Aber den Beknacktenvogel so richtig abgeschossen hat jetzt doch der Kommentator von "NoName". Respekt, Bruder!

     

    @ Harun

     

    Freut mich außerdem, dass ich nicht der einzige bin, dem bei diesen technisch angeblich sehr versiert ausgeführten Attentaten der eine oder andere wild-überschießende Gedanke durch den Kopf geht.

  • B
    Benz

    Die palästinensischen Kinder in den Schulen in den besetzten Gebieten erleben solche Gewalt tagtäglich: Tagtäglich werden sie von den israelischen Soldaten bedroht und erniedrigt. Regelmässig werden Minderjährige von den israelischen Soldaten verhaftet und gefoltert oder gleich erschossen.

  • S
    Stefan

    Waren es nun Nazis oder Islamisten? Das werden wir hier nicht klären können.

    Aber was die TAZ draus macht ... die Botschaft: Die Juden mögen sich nicht wundern, wenn die Menschen nicht zwischen der verbrecherischen Politik Israels und einfachen Juden unterscheiden können.

    Antisemiten ist es egal, was Juden tun oder lassen - sie hassen die Juden. Neuen Antisemiten ist es egal, was Israel tut oder lässt - sie hassen Israel. (Neue) Antisemiten unter den Journalisten ist das auch egal ... ihnen ist es egal, welche vermeintlichen Verbrechen Israel angedichtet werden. Sie dichten lieber mit und geben den Idioten, die Israels "Verbrechen" allen Juden anlasten eine Bestätigung. Weiter so.

  • H
    Harun

    Die menschlich zutiefst bedauerlichen Anschläge in Südfrankreich lassen in politischer Hinsicht mindestens zwei gegensätzliche Interpretationen zu.

     

    1.Wenn man Simone de Beauvoirs Berichte über die französischen Kolonialverbrechen , besonders gegen die Zivilbevölkerung (!) im Algerienkrieg , liest, und sie mit denen der Nato und besonders des Nato-Kriegsverbrechers Sarkozy in Nordafrika und Kleinasien (inclusive der Parteinahme für das rechtszionistische Netanjahu-Regime)in Beziehung setzt, kommt man durchaus auf die Idee, daß diese Anschläge in Toulouse Ähnlichkeit denen der nordafrikanischen Befreiungsbewegungen ähneln. die damals den schmutzigen französischen Kolonialkrieg auch ins "Mutterland" Frankreich trugen.

     

    Die kriegsverbrecherische Nato, als deren einer Obermacker gerade in Libyen sich Sarkozy aufführte(entsetzlich, daß die politisch schon halb blinde "Nazi-Jägerin" Klarsfeld sich für solch kriegsbetreiberischen Büttel der Reichen einsetzt- und Schande über d i e Linken, die diese Tante als Präsidentenkandidatin ins Rennen schickten) hat ihre Neokolonialkriege bisher ohne den Krieg in den "Mutterländern"überstanden. Diese tiefe Ungerechtigkeit könnte jetzt ein Stück ausgeglichen werden.. Bestialisch sind Natokriege und jetzt evtl. die ihrer Opfer beide- was die rotgrünschwarzgelben(und der Gysi-Flügel der Linken) Gauckler in der BRD lebenslügnerisch ausblenden..

     

    2- Es gibt aber noch eine zweite machiavellistische Interpretation der Anschläge. In Gladio- Tradition könnte es sich bei ihnen um eine von evtl. nicht nur französischen Nato-Stasis gelenkte Anschlagserie handeln, die die CIA-Kreatur Sarkozy für sich im Wahlkampf gegen den braven , keinesfalls sozialistischen, Rooseveltianer Hollande nützen könnte. Sandstrahl-Sarko könnte sich als als ein Heilsbringer a la Helmut Schmidt gegen die Flut der bösen Islamisten präsentieren und damit den anständigen Hollande am Schluß doch noch aus dem Feld schlagen.

     

    2- Es gibt aber noch eine zweite machiavellistische Interpretation der Anschläge. In Gladio- Tradition könnte es sich bei ihnen um eine von evtl. nicht nur französischen Nato-Stasis gelenkte Anschlagserie handeln, die die CIA-Kreatur Sarkozy für sich im Wahlkampf gegen den braven , keinesfalls sozialistischen, Rooseveltianer Hollande nützen könnte. Sandstrahl-Sarko könnte sich als ein Heilsbringer a la Helmut Schmidt gegen die Flut der bösen Islamisten präsentieren und damit den anständigen Hollande am Schluß doch noch aus dem Feld schlagen.

     

    On verra!

  • P
    Paul

    Also ist jeder, der die Politik Israels kritisiert ein Antisemit? Das klingt ebenso undifferenziert und plumb wie die Argumentation der Antisemiten. Insbesondere ist also die israelische Oposition und die israelisch-palestinensische Friedensbewegung antisemitisch? Ist es antisemitisch darüber zu schreiben, dass die Armee Israels bei ihren "Vergeltungsschlägen" auch Kinder tötet?

     

    Kaum kommt wieder ein Rechtsextremer Terrorist ist auch schon auch irgend ein Freak da, der behauptet, dass alle die kritisch denken (insbesondere die Linken) daran schuld sind, weil sie antisemitisch sind.

     

    Übrigens, Mr."NoName", ist ihr Artikel mindestens ebenso unterschwellig antisemitisch wie die derer, die sie zu kritisieren versuchen.

  • PD
    Piet den Bingen

    Zum Miträtseln hier mal ein wenig Inspiration für Hobby-Verschwörungstheoretiker:

     

    Sarkozy bzw. die französische Rechte spielt gerne mal über Bande, um ihre Ziele auch hintenrum zu erreichen - siehe die Strauss-Kahn-Affäre. Ist natürlich nichts bewiesen.

     

    Rechte Terroranschläge, dazu auch noch kurz vor kritischen und eher knappen Wahlen. Darf man ruhig auch mal an eine Strategie der Spannung denken; freilich ebenfalls unbeweisbar.

     

    Rechte Spinner als Terroristen? Fehlt nur noch der französische Inlandsgeheimdienst, und schon wir sind wieder zuhause bei Freunden (VfS + NSU). Ist ja ohnehin ein europäisches Traditionsstück: Staat + Nazis/Faschisten + sinnlos-diffuser Terror = Gladio (siehe auch den schönen Wikipedia-Artikel dazu!). Das allerdings ist schon mehrfach bewiesen.

     

    Nix für ungut - einfach nur mal ins Blaue gedacht.

  • N
    NoName

    "Gerade die Vorstellung, dass es für die Bluttaten von Toulouse und Montauban keinerlei rational klingende Erklärung gibt, wie in Oslo ..."

     

    Für Judenhass oder Antisemitismus gibt es nie rationale Erklärungen. Er ist diffus, unbestimmt und darum um so geährlicher. Ihn trifft man in allen Sparten und Spektren: in subtiler Form in der TAZ - der ARD und der Süddeutschen. In der etwas offeneren Form ist er erkennbar bei unserem Nachwuchskanzler Siggi und bei friedensbewegten West-Aktivisten. Und in der offensten Form ist er erkennbar bei einzelnen Gruppierungen der Linken (Gazaflotte, Die Linke Duisburg) in islamistischen, und rechtsextremen Guppen.

     

    Vielleicht war der Täter einfach ein Gutmensch in der SPD - der etwas gegen die "Ungerechtigkeit" der Welt tun wollte. Verblendet von Medien und Politik. Verblödet vom Gehörten und Gelesenen - im Gefühlsschwang einfach mal das "Richtige" tun - Juden abknallen. (Ich formuliere deshalb drastisch um die Motivationen darzustellen - wie sie oft sind)

     

    Vielleicht hat der Täter TAZ gelesen und dort erfahren, das Israel ein Kind mit Flugzeugen angreift und denkt sich nun, dass Israel ein "Kindermörder" wäre. Vielleicht ist es ein arabischer Nationalbolschewist - der sich für "Frieden und Gerechtigkeit" einsetzt und so Globalisierung und Juden ablehnt. Der Schattierungen sind viele, rechts - links - how knows. Schubladen auf - das Geschehene abhaken - nächsten Artikel über Israel als Apartheidsstaat schreiben.

  • M
    Morgenlandfahrerin

    Solche feigen Kindermörder - insbesondere, wenn es Nazis oder Islamisten waren - gehören drakonisch verurteilt und lebenslang hinter Gitter gesperrt. Meiner Meinung nach sollten die entsprechenden Prozesse trotz aller Gefahren öffentlich geführt werden, damit die aufgeklärte Welt mit Bild un Ton aufzeigen kann, dass solche Taten, ausgeführt aus rassistischen Beweggründen bzw. aus religiösen Hass, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind.

     

    Öffentlichkeit gegen Hass und Feigheit!

  • AG
    Anton Gorodezky

    Entweder Muslime oder Neonazis - gerade die Situation der Schreiber beider Richtungen (nehmen wir mal pi-news als dezidiert antimuslimisch und taz als dezidiert antirechtsextrem) stelle ich mir ähnlich vor, wie Duelle in alten Westernfilmen: jeder lauert und wartet drauf, dass geschossen werden kann (in diesem Fall mit scharf formulierten Artikeln, nicht mit Kugeln).

     

    Ich kann mich auch nicht entscheiden. Dass kein Bekennervideo auftauchte, gab es auch schon vorher. Sowohl Muslime als auch Neonazis haben schon Pistolen für ihre Anschläge verwendet (Arid Uka, NSU). Und da es kein Anschlag in Deutschland war, spielt auch die handwerkliche Qualität nicht ins Gewicht: bisher haben sich Muslime beim Versuch, Anschläge in Deutschland zu verüben, nicht besonders klug angestellt (defekte Zünder, ausgetauschte Chemikalien, Waffenversagen) wohingegen Neonazis bisher großes Geschick bei ihren Anschlägen zeigten (Oktoberfest München, NSU).

     

    Naja, wollen wir hoffen, dass die französische Polizei den Mörder zur Strecke bringt.

     

    Übrigens wäre es ja immer noch möglich, dass es sich um einen verrückten Einzeltäter handelt.

  • L
    lars

    soldaten (welcher hautfarbe vielleicht einfach egal?) und juden als opfer: spricht doch alles dafür, dass es islamisten waren. wenn man schon rumwundert, kann man die variante ja auch mal bennennen.