Attentat auf iranischen Kernforscher: Blutige Botschaft
Der Tod des Kernphysikers Fachrisadeh wird das iranische Atomforschungsprogramm kaum verzögern. Eine Wirkung dürfte das Attentat trotzdem haben.
D as iranische Atomwaffenprojekt mit dem Mord an dem Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh stoppen oder auch nur deutlich verlangsamen zu können, ist zu illusorisch, als dass man in Israel – davon ausgehend, der jüdische Staat stehe hinter dem Attentat – ernsthaft damit rechnen wird. Der ermordete Fachrisadeh galt zwar als Schlüsselfigur des Forschungsprogramms, trotzdem wird er zu ersetzen sein.
Spätestens seit den Exekutionen einer ganzen Serie iranischer Atomforscher vor rund zehn Jahren dürfte in Sachen Nachfolge für die Experten vorgesorgt worden sein. Die Hinrichtung Fachrisadehs ist vielmehr Teil der psychologischen Kriegsführung gegen den Erzfeind. Einmal mehr führt Israels gefürchteter Geheimdienst Mossad der Welt vor Augen, dass „unser langer Arm jeden erreicht, der uns schadet“, wie es Regierungschef Benjamin Netanjahu in ähnlichem Zusammenhang einmal festhielt.
Bemerkenswert ist diesmal vor allem das Timing. Für die Exekutionskommandos spielen aktuelle politische Umstände viel weniger eine Rolle als die Gunst der Stunde. Man schlägt zu, wenn man sicher sein kann, dass das Ziel getroffen wird, ohne dass dabei ein allzu großer Kollateralschaden entsteht, sprich: dass Unbeteiligte sterben. Fachrisadeh stand seit Jahren auf der Abschussliste des Mossad. Dass er gerade jetzt getötet wurde, ist aus israelischer Sicht auch politisch günstig.
Der Tod des iranischen Top-Atomphysikers schließt sich geradezu ideal an den Ausgang der US-Wahlen an. Der Anschlag ist gleichzeitig ein Signal an den künftigen Chef im Weißen Haus. Joe Biden wird das erneute Gespräch mit der iranischen Führung suchen, nachdem die USA vor gut zwei Jahren das Atomabkommen mit Teheran aufkündigten.
Eine Lockerung der unter dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump verhängten und aktuell zusätzlich verschärften Sanktionen wäre jedoch ganz und gar nicht im Sinne Israels. Nicht so schnell und nicht ohne uns! Das ist die Botschaft aus Jerusalem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“