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Attentat auf EritreerRassismus als Triebfeder

Ein 26-jähriger Eritreer wurde in Hessen niedergeschossen. Im Anschluss tötete der Angreifer sich selbst. Das Opfer ist inzwischen außer Lebensgefahr.

Im Visier: Der Tatort in Wächtersbach, wo der Eritreer am Montag gezielt niedergestreckt wurde Foto: reuters

FRANKFURT taz | Der Mann, der am Montag im osthessischen Wächtersbach auf einen Eritreer geschossen hat, tat dies aus rassistischen Beweggründen. Das teilten die Ermittler am Dienstagvormittag in Frankfurt mit.

Nach Erkenntnissen der Behörden hatte ein 55-jähriger deutscher Staatsbürger am Montag gegen Mittag einen 26-jährigen Eritreer mit einem Bauchschuss niedergestreckt. Die Ermittler gehen inzwischen „ganz klar von einem fremdenfeindlichen Motiv“ aus. Das Opfer habe den Anschlag schwer verletzt überlebt, der Täter hat sich anschließend selbst erschossen. Das Opfer sei inzwischen außer Lebensgefahr, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Alexander Badle.

Der Tatort liegt am Rande der kleinen Stadt, zwischen Bahndamm und Autobahn. Nach taz-Informationen befindet sich in der gleichen Straße ein Aus- und Weiterbildungszentrum, das Sprachkurse für Ausländer anbietet. Der 26-Jährige besuchte dort Kurse.

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hat der mutmaßliche Todesschütze am Montag gegen 13 Uhr aus dem Auto mit einer Pistole, Kaliber 9 Millimeter, völlig überraschend auf den jungen Mann gezielt und ihm in den Bauch geschossen.

Auswahl wegen Hautfarbe

Täter und Opfer hatten bis zu diesem Zeitpunkt offenbar nichts miteinander zu tun. Der 55-Jährige habe das Opfer danach aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe ausgewählt: „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ sei der junge Mann ins Fadenkreuz eines fremdenfeindlichen Schützen geraten. Für einen rechtsextremistischen Hintergrund oder dafür, dass der Mann „ideologisch oder politisch eingebunden“ war, gebe es bislang keine Hinweise, so Sprecher Badle.

Bei der sofort ausgelösten Fahndung wurde drei Stunden später im nahen Biebergemünd der mutmaßliche Täter in seinem abgestellten Fahrzeug gefunden. Mit einem Kopfschuss einer Pistole, Kaliber 45, habe er sich selbst gerichtet. Noch am Fundort seines Autos sei er verstorben.

Mit „Rücksicht auf die postmortalen Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen“ wollte die GStA nicht viel zu dem Mann sagen. Nur so viel: In seiner Wohnung fand die Polizei drei weitere Waffen, zwei Langwaffen und eine halbautomatische Pistole. Alle Waffen, auch die beiden Pistolen, die er bei seinem Mordanschlag und seinem Selbstmord eingesetzt habe, seien legal erworben.

Die Frage, ob er Jäger oder Polizist gewesen sei, verneinte der Sprecher. Weshalb die Behörde von einem „fremdenfeindlichen Motiv“ spricht, wollte er ebenfalls nicht sagen, sprach aber von „ganz klaren Hinweisen“. Bei der Durchsuchung der Wohnung hatte die Polizei auch einen Abschiedsbrief gefunden.

Bei der improvisierten Pressekonferenz vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hob Badle ausdrücklich die Bedeutung der Tatzeugen hervor. Nur weil sie schnell und besonnen gehandelt hätten, habe das Opfer überleben können. „Ein Bauchdurchschuss ist eine lebensbedrohliche Verletzung“, sagte Badle. Nur dank der schnellen Notoperation habe das Leben des jungen Mannes gerettet werden können.

Die Verantwortlichen der Stadt reagierten bestürzt auf den Mordanschlag. Unter der Überschrift „Kein Platz für Rassismus“ riefen Stadtverordnetenvorsteher Gerhard Koch, Bürgermeister Andreas Weiher und Landrat Thorsten Stolz für Dienstagabend zu einer Mahnwache am Tatort in der Industriestraße auf.

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