Atomverhandlungen mit Iran: Es geht wieder vorwärts
Russland hatte die Atomverhandlungen zwischen Iran und USA erst vorangetrieben, dann behindert. Nun macht Washington ein überraschendes Zugeständnis.
Seit Monaten liefen in Wien die Gespräche zwischen den USA und dem Iran um eine Rückkehr zum Atomabkommen aus dem Jahr 2015. Unter Trump hatten die USA das bestehende Abkommen aufgekündigt, der Iran baute daraufhin seine Nuklearforschung aus. Die indirekten Gespräche über die Rückkehr zum Deal waren eigentlich weit fortgeschritten. Doch mit Beginn des Krieges in der Ukraine forderte Russland unerwartet umfangreiche Garantien von den USA: Der russisch-iranische Handel solle von jeglichen westlichen Sanktionen ausgenommen werden, die im Zusammenhang mit der Invasion der Ukraine erlassen würden.
Russlands Chefunterhändler Michail Uljanow ist der heimliche Star der Verhandlungen. Als sich die anderen in Schweigen hüllten, wurde er zum inoffiziellen Sprecher des Unterfangens und zum Twitter-Diplomaten. Auf der Plattform teilte er eine Chronik der Gespräche. Uljanow galt als oberster Verfechter des Nuklearabkommens. Selbst, als es im Dezember kurz vor dem Scheitern stand, verhandelte er eine Zwischeneinigung. Damals weigerte sich der Iran, die internationale Überwachung einer wichtigen Nuklearanlage zuzulassen. Uljanow vermittelte, sicherte den Inspektoren den Zugang und wendete damit eine größere diplomatische Krise ab.
Doch mit der Invasion wendete sich das Blatt. Uljanow twitterte am 3. März zwar optimistisch, der Abschluss des Deals sei noch „24, vielleicht 28 Stunden“ entfernt, schrieb aber auch, „eine Reihe anderer Teilnehmer“ hätte „Fragen aufgeworfen“, die vor dem Abschluss geklärt werden müssten. „Angesichts endloser Spekulationen muss daran erinnert werden, dass der sehr knappe Abschluss der #ViennaTalks nicht nur von Russland abhängt“, erläuterte er.
Mit dem erfolgten US-Zugeständnis können nun letzte Details besprochen werden: Der Iran braucht Versicherungen seitens der USA, dass Sanktionen, vor allem auf Banktransfers, aufgehoben bleiben. Denn fürchten internationale Firmen, dass das Abkommen – wenn sich das politische Fahrwasser ändert – gleich wieder hinfällig ist, werden sie kaum in den iranischen Markt eintreten. Wichtig ist auch das iranische Geld, das momentan eingefroren auf ausländischen Konten liegt. Würde dieses Geld freigeschmolzen und in den Iran zurückkehren, könnte es dem Land wirtschaftlichen Auftrieb geben. Debattiert wird auch, welche politischen Gefangenen der Iran freilassen und in welchem Umfang es einen „Gefangenenaustausch“ geben wird. Immer wieder werden iranische Doppelstaatler*innen im Iran festgenommen und verurteilt; immer wieder wird spekuliert, dass sie dem Regime als Faustpfand dienen, um politische Zugeständnisse zu erzwingen.
Nachdem Lawrow von der US-Garantie berichtet hatte, gab Chefvermittler Uljanow prompt dessen Worte auf Twitter wieder: „Seitens Russlands gibt es keine Hindernisse für die Wiederherstellung von #JCPOA.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko