Atomunfall in Russland: War es ein deutsches Uranfass?
In einem russischen Atomkomplex hat es einen tödlichen Unfall gegeben. Ein undichtes Fass explodierte. Atomkraftgegner fordern Aufklärung.
Seit Mitte der neunziger Jahre schickt das deutsch-niederländisch-britische Unternehmen Urenco abgereichertes Uranhexafluorid (UF6) aus den Uranfabriken im deutschen Gronau und im niederländischen Almelo nach Russland – wohl um eine teurere Entsorgung in Deutschland und den Niederlanden zu umgehen. Ein großer Teil der Exporte von Zehntausenden Tonnen ging nach Novouralsk.
„Es ist sehr traurig, dass ein undicht gewordenes Uranfass aus Gronau oder Almelo die Ursache für den tödlichen Unfall in Novouralsk gewesen sein kann“, sagte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Wir fordern deshalb von Urenco, aber auch von der Atomaufsicht in Düsseldorf und Berlin eine klare Auskunft darüber, ob eines der Gronauer oder Almeloer Uranfässer hier beteiligt ist.“
In dem russischen Atomkomplex war laut Betreiber am vergangenen Freitagmorgen abgereichertes UF6 aus einem Zylinder entwichen. Dabei kam mindestens ein Mensch ums Leben. Der 65-jährige Arbeiter starb allerdings nicht durch radioaktive Strahlung, sondern erlag seinen bei der Explosion des Behälters erlittenen Verletzungen, wie die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete. Rund 100 Beschäftigte mussten demnach im Krankenhaus behandelt und teilweise dekontaminiert werden.
Auch russische Umweltschützer üben Kritik
Betreiber der Anlage, die nach russischen Angaben unter anderem die weltgrößte Urananreicherungsanlage beherbergt, ist das Uraler Elektrochemische Kombinat. Es handelt sich um eine Tochter des russischen Staatskonzerns Rosatom.
Vladimir Slivyak, Ko-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense und Träger des Alternativen Nobelpreises, bezeichnete die Explosion als „Konsequenz einer extrem niedrigen Sicherheitskultur in der russischen Atomindustrie“.
Umweltschützer hätten immer wieder vor Unfällen in den russischen Urananreicherungsanlagen sowie vor der Einfuhr von Uranmüll aus Gronau und Almelo gewarnt, „aber die russische Regierung hat nicht zugehört“. Es seien weitere derartige Unfälle zu befürchten, so Slivyak.
2010 hatte ein Unfall mit UF6 auch in Gronau schon einmal zur Verstrahlung eines Arbeiters geführt. Initiativen und Verbände fordern deshalb schon lange einen Transportstopp des gefährlichen Stoffs.
Auch gegen den Export nach Russland gab es im Münsterland, in den Niederlanden und auch in Russland immer wieder Proteste. Für den 6. August, den 78. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, haben Bürgerinitiativen zu einer Mahnwache an der Gronauer Urananreicherungsanlage aufgerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt