Atommüllschiff auf Kurs nach Nordenham: Warten auf die Castoren
Die „Pacific Grebe“ mit sechs Atommüllbehältern war am Samstagvormittag noch auf hoher See. An Land starten Umweltschützer mit ersten Protestaktionen.
„Aus den Augen, aus dem Sinn! Wo bringen wir den Atommüll hin??“, steht auf einem Transparent, das Atomkraftgegner im Hafen von Nordenham aufgespannt haben. „Castoralarm“ heißt es schlicht auf einem anderen. In Sichtweite des Anlegers, an dem das Atommüllschiff „Pacific Grebe“ in Kürze festmachen wird, haben Aktivisten eine Mahnwache eingerichtet.
Der Frachter mit sechs Castorbehältern an Bord war am Dienstagabend im englischen Hafen Barrow-in-Furness gestartet. Weil er sein Positonserkennungssystem AIS abgechaltet hat, lässt sich die Fahrt von außen nicht nachverfolgen. Das AIS-System soll vor Kollisionen zwischen Schiffen schützen. Das Abschalten des Systems sei mit internationalem Seerecht nicht vereinbar, erklärt das Bündnis „Castor stoppen“. Es läuft deshalb eine Anzeige gegen den Schiffseigner.
Aktivisten des Bündnisses, die die Fuhre auch mit einem Ticker begleiten, gingen am Samstagmorgen davon aus, dass die Castoren im Verlauf des Tages in Nordenham eintreffen. „Noch sind sie aber auf hoher See“, sagte Bündnissprecherin Silke Westphal der taz.
In Nordenham sollen die Behälter auf Eisenbahnwaggons verladen werden. Der aus fünf Diesel-Lokomotiven und etwa zwölf für die Polizei und weitere Begleitpersonen bestimmte Waggons bestehende Spezialzug war in der Nacht zu Freitag in der niedersächsischen Stadt eingetroffen. Die leeren Waggons, auf welche die Castoren umgeladen werden sollen, waren bereits am Donnerstagnachmittag gesondert angeliefert worden.
Castorzug-Route wird streng geheim gehalten
Die Atommüllbehälter, die hochradioaktive, in Glas eingeschmolzene Rückstände aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield enthalten, werden dann ins Zwischenlager am abgeschalteten AKW Biblis in Hessen gebracht. Welche Route der Castorzug dorthin nimmt, wird von dem Spediteur – der Gesellschaft für Nuklear-Service – und den Behörden streng geheim gehalten.
An mehreren Orten entlang der infrage kommenden Bahnstrecken sind bereits Protestaktionen angelaufen. Auf dem Uni-Campus in Oldenburg begann um Mitternacht eine Mahnwache, hier können sich Interessierte mit aktuellen Informationen versorgen. In Göttingen hatte die örtliche Anti-Atom-Initiative bereits am Freitagnachmittag einen Infostand vor dem Bahnhof aufgebaut. Laute Musik schallte über den Platz, in weiße Schutzanzüge gekleidete und maskierte Demonstranten verteilten Flugblätter an Reisende. In Nordenham war für Samstagnachmittag eine Kundgebung angekündigt, auch in Bremen soll es Proteste geben.
Nach Sellafield sowie in die französische Wiederaufarbeitungsfabrik La Hague wurden bis 2005 abgebrannte Spaltelemente aus deutschen Atomkraftwerken gebracht. Die Bundesrepublik ist zur Rücknahme des Atommülls verpflichtet. Atomkraftgegner halten den Transport vor allem für unsinnig, da es in Deutschland kein Endlager gibt. „Atommüll von einem ungeeigneten Ort an einen anderen ungeeigneten Ort zu verschieben, ist unabhängig von erklärten Pandemielagen nicht nur unnötig, sondern falsch“, sagt Silke Westphal. Mit Blick auf die sich verschärfende Coronakrise haben auch die Polizeigewerkschaft GdP und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bemängelt, dass die Castoren jetzt auf den Weg gebracht werden.
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