Atommüllschiff kurz vor Nordenham: Castoren mit Verspätung
Die Ankunft des hochradioaktiven Atommülls im niedersächsischen Nordenham verzögert sich. Atomkraftgegner zeigen trotzdem Protest.
Göttingen taz | Ein Defekt auf hoher See – Corona-Ausbruch bei der Mannschaft oder doch bloß Polizeitaktik? Rätselraten herrschte am Sonntag beim Aktionsbündnis „Castor stoppen“. Das bereits für Samstagfrüh erwartete Schiff mit sechs Castorbehältern an Bord hatte bis zum Sonntagnachmittag noch nicht den Hafen der niedersächsischen Kleinstadt Nordenham erreicht. Hier sollen die Castoren, die in der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield mit hochradioaktivem Schrott aus Deutschland befüllt wurden, auf einen Zug umgeladen und ins Zwischenlager Biblis gebracht werden. Die Castoren enthalten in Glas eingeschmolzene Rückstände aus der Wiederaufbereitung.
Am Dienstagabend war der Nuklearfrachter „Pacific Grebe“ im englischen Hafen Barrow-in-Furness gestartet. Weil er sein Positionserkennungssystem AIS abgeschaltet hat, lässt sich die Fahrt von außen nicht nachverfolgen. Bei 14 Knoten Geschwindigkeit, die der Betreiber nennt, hätten sich drei Tage und acht Stunden Fahrzeit für den Schiffstransport ergeben. „Die errechnete Ankunft wäre damit am Samstagmorgen gegen 5 Uhr gewesen“, so das Aktionsbündnis. Ein Zug mit fünf Diesellokomotiven, die Spezialwaggons und ein Verladekran befinden sich bereits seit mehreren Tagen in Nordenham.
Ungeachtet der Verzögerungen starteten Atomkraftgegner ihre Protestaktionen. Mit einer Kletteraktion demonstrierte Robin Wood am Sonntagmorgen am Bremer Hauptbahnhof. Fünf Aktivisten kletterten auf das mehr als 30 Meter hohe Bahnhofsdach und hängten dort ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Plan, nur Risiko! Castor stoppen“ auf.
Bereits am frühen Sonntagmorgen hatte das Aktionsbündns „Castor stoppen“ auch in Nordenham seine Protestaktionen fortgesetzt. Wie schon am Vortag versammelten sich Demonstranten zu einer Mahnwache am Hafen. Auch in Münster, Oldenburg und Bremen gibt es Mahnwachen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) rechtfertigte indes den Transport mitten in der Coronapandemie: „Wir haben Verantwortung für den Müll, den wir nicht im Ausland liegen lassen können“, sagte sie der Funke Mediengruppe.