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Atommüllfunde im AtlantikAus der Versenkung geholt

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Forscher kartieren Atommüll im Atlantik. Damit bringen sie ein längst vergessenes Thema zurück auf die Tagesordnung.

Mit diesem Tauchroboter starteten französische Forscher im Juni die Suche nach Atommüll im Atlantik Foto: Flotte Océanographique Française/dpa

D ie Bilder aus den 1980er Jahren sind in Vergessenheit geraten. Damals gingen sie um die Welt: Schlauchboote von Greenpeace näherten sich mutig den Frachtern, die auf hoher See strahlende Fässer über Bord werfen wollten. Verhindern konnten die als „Regenbogenkämpfer“ bezeichneten Aktivisten den Umweltfrevel selten. Aber durch die Aktionen entstand Druck, der – wenn auch spät – zum Erfolg führte. Mit den Jahren verschwanden die Altlasten vom Meeresgrund weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis.

Einem internationalen Forscherteam gilt nun der Dank, dass es mit seinem Tun ein Thema buchstäblich aus der Versenkung holt, das dringend auf die politische Tagesordnung gehört. Zwar ist es in erster Linie ein wissenschaftliches Projekt, kein politisches – und das soll auch so bleiben.

Gleichwohl dürfte die Mission auch politisch wirken. Denn wenn die Ergebnisse erst vorliegen, wird das vereinte Europa beraten müssen, welche Konsequenzen aus den Erkenntnissen zu ziehen sind. Vielleicht wird sich in manchen Fällen die Frage der Rückholung aufdrängen.

Es dürfte also eine Debatte entstehen, die weiter greifen sollte als die reine Aufarbeitung der vergangenen Missetaten. Wer sich heute – zu Recht – über die Schändlichkeit der Atommüll­entsorgung von damals erregt, sollte einen Moment innehalten. Denn Umweltvergehen sind zeitlos. Sie finden immer noch statt, nun aber subtiler.

Umweltvergehen sind heute nicht weniger dramatisch

Wir vermüllen die Umwelt mit den Ewigkeits­chemikalien PFAS, betrachten die Atmosphäre als Müllkippe für CO2-Abgase aus Verbrennungsprozessen. Nur weil heute die Umweltvergehen nicht mehr so „ehrlich“ und offensichtlich skandalös sind wie noch vor einigen Jahrzehnten, sind sie nicht minder dramatisch.

Wenn auf See künftig wieder Fässer geborgen werden müssen, wird man den Verantwortlichen vorhalten: Leichter wäre es gewesen, sie gar nicht zu versenken. Wohl wahr, aber das gilt für alle Umweltverschmutzungen von heute: Ob PFAS oder CO2 – es ist leichter, Emissionen zu unterbinden, als die Stoffe später zurückzuholen.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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8 Kommentare

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  • Spätestens als ich zum ersten mal von Weltraumschrott lernte wurde mir klar das die Menschheit eine Auszeichnung verdient.



    Selbst die lebensfeindlichsten Umgebungen schaffen wir zu aller erst zuzumüllen.

    Und nur weil die Entsorgung in der Meerestiefe aufgrund der Unlöslichkeit oder anderen Umständen aktuell nicht als problematisch gilt: Es gab auch eine Zeit zu der Asbest gefeiert wurde.

    • @Stubenhocker1337:

      Wir wissen sehr genau was wir da so tun. Wir wissen auch sehr genau, dass es schließlich unser aller Ende sein wird. Doch wir machen es dennoch unbeirtt weiter. Und da gibt es Thesen, der Mensch sei die Krone der Schöpfung - in vielen Gesellschaften unterschiedlichster Art. Wir sind das Schlimmste was man unserem Planeten hat antun können....

  • In den Weltmeeren sind etwa 4,5 Mrd. Tonnen Uran gelöst, deshalb ist Meerwasser von Natur aus radioaktiv und könnte in Zukunft auch als Quelle von Kernbrennstoffen dienen. Der Eintrag aus menschlicher Quelle spielt im Vergleich zu den natürlich vorkommenden Mengen überhaupt keine Rolle. 1993 hat man aus politischen Gründen den lautstarken Aktivisten nachgegeben und die Atommüllverklappung im Meer untersagt; sinnvoll war das nicht.

    • @Descartes:

      Soweit ich weiß, ist das natürliche Uran in den Weltmeeren ziemlich gleichmäßig verteilt und stellt örtlich keine Gefahr dar. Der vom Menschen eingebrachte Atommüll hingegen ist örtlich konzentriert und kann lokal zu radioaktiven Belastungen führen. Insbesondere, wenn sich das Zeug im aggressiven Meerwasser auflöst und von der Strömung dann an leeseitigen Stellen konzentriert wieder abgelagert wird.

      • @Gliese:

        Dass das natürlich Uran dünn verteilt ist stimmt schon, aber gerade weil die Löslichkeit von Uran im Meerwasser gering ist gibt es keine hochkonzentrierte Brühe. Es war immer schon klar dass die Fässer nicht ewig halten, das Material darin sich aber so schwer löst und deshalb so stark verdünnen wird dass es keine Rolle spielt.

        Trotzdem wurde die Endlagerung von Fässern mit Feststoffen beendet. Man beachte dass das politische Fragen sind; wieviel Angst kann man damit den Wählern machen. Radioaktive Flüssigkeiten werden auch heute noch im Meer entsorgt, und das nicht einmal in großer Tiefe. Im Gegensatz zu chemischen Einleitungen, Ölpest, etc., sind aber keine Auswirkungen auf die Umwelt bekannt.

        • @Descartes:

          Na ja, ich bin weder Chemiker noch Physiker, aber vielleicht liest ja (noch) einer mit und kann seinen Senf dazugeben.

          Wenn sich eine Substanz schwer löst, wird sie sich doch erst recht nicht verdünnen. Sie bleibt dann als Schwebstoff kleinster Partikel am Ort erhalten und kann sich am Grund als Sediment absetzen. Oder sie wird von einer Strömung abtransportiert und an anderer Stelle dann abgelagert. In beiden Fällen treten erhöhte Konzentrationen auf.

          Eine Substanz, die sich sehr gut im Meerwasser löst, setzt sich nicht ab, bzw. fällt nicht aus. Sie kann sich im gesamten Wasserkörper verteilen.

    • @Descartes:

      Na prima. DAS ist die Lösung für das Endlagerproblem. Weshalb sind nur diese dummen Wissenschaftler nicht darauf gekommen? Sowas aber auch!!! Aber nach diesem Diskussionsbeitrag ist ja nun endlich alles in Ordnung.

  • "Wenn auf See künftig wieder Fässer geborgen werden müssen, wird man den Verantwortlichen vorhalten: Leichter wäre es gewesen, sie gar nicht zu versenken. Wohl wahr, aber das gilt für alle Umweltverschmutzungen von heute:..."



    ...und die nicht zivilen gefährlichen Zwischenfälle gestern und vorgestern:



    Bei welt.de 2016



    "Die USA vermissen 17 Atombomben. Mindestens



    Von Johann Althaus



    Die A-Bombe, die jetzt vor Kanada entdeckt wurde, ist kein Einzelfall. Allein für die USA werden 700 Zwischenfälle geschätzt. Wie viele Kernwaffen andere Mächte „verloren“ haben, weiß niemand."



    Weiter dort zu den akzidentellen Artefakten, den "Broken Arrows":



    "Auch die US Navy hatte immer wieder Probleme mit ihren Kernwaffen. Am 5. Dezember 1965 etwa rutschte zwischen Taiwan und Japan ein Jagdbomber samt Pilot und einer scharfen Wasserstoffbombe vom Deck des Flugzeugträgers „USS Ticonderoga“. Im hier 4900 Meter tiefen Meer wurde nie eine Spur gefunden.



    Zwei Atomtorpedos gingen im Mai 1968 beim nicht aufgeklärten Untergang des Jagd-U-Bootes „USS Scorpion“ verloren. Das Wrack liegt in 3380 Metern Tiefe südwestlich der Azoren.



    Die Zahlen der UdSSR sind selbstverständlich nicht bekannt, müssten addiert werden.