Atomkraft in der Ukraine: Uran aus dem Westen
Der Brennstoff für die ukrainischen Atomkraftwerke kommt nicht mehr aus Russland. Technisch ein Problem, so Experten.
Der auf drei Jahre befristete Vertrag mit Urenco sehe zwei Lieferungen angereicherten Urans pro Jahr vor. Zwei weitere Lieferungen seien zusätzlich möglich. Jede enthalte Uran für 42 Brennstäbe.
Urenco erklärte auf taz-Anfrage, man werde später festlegen, welche der weltweit vier Anreicherungsanlagen des Konzerns den Auftrag erledigt. Das Uran könnte also auch im Urenco-Werk im westfälischen Gronau angereichert werden.
Die deutsche Bundesregierung sitzt im für Urenco zuständigen „Joint Committee“. In diesem Ausschuss entscheidet sie gemeinsam mit Vertretern der niederländischen, französischen, US- und britischen Regierungen über die strategische Ausrichtung des Konzerns. „An einzelnen kommerziellen (Liefer-)Abkommen des Unternehmens mit Drittstaaten ist die Bundesregierung aber nicht beteiligt“, schreibt das Wirtschaftsministerium in Berlin auf Anfrage – man werde über das Joint Committee lediglich unterrichtet.
Matthias Eickhoff, Sprecher des „Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen“, verurteilte den Deal. „Anstatt auf eine echte Energiewende zu setzen, lässt man die Ukraine im 20. Jahrhundert zurück. Während der Sarkophag um Tschernobyl noch immer nicht fertig ist, wird dort weiter auf Atomenergie gesetzt“, teilte Eickhoff der taz mit. „Natürlich müssen wir die Ukraine unterstützen, aber doch nicht mit angereichertem Uran.“
Der jetzt unterzeichnete Vertrag mit Urenco passt zur neuen ukrainischen Atompolitik. Derzeit ist die Atomwirtschaft des Staates zu mehr als 90 Prozent abhängig von Russland. Mithilfe westlicher Partner soll der russische Anteil an der ukrainischen Atomwirtschaft zurückgedrängt werden. Dabei setzt man auf einen kontinuierlich wachsenden Anteil von Westinghouse-Brennstäben. Doch der gleichzeitige Einsatz von Westinghouse- und russischen Brennstäben ist umstritten. 2012 habe es im AKW „Süd“ Probleme beim Zusammenspiel der Kassetten der unterschiedlichen Hersteller gegeben, räumte Energoatom Chef Jurij Nedaschkowskij Mitte Juli im ukrainischen Fernsehsender 112.ua ein. Doch diese Probleme hätten die Ingenieure in den Griff bekommen.
Die aus dem 200 Kilometer südlich von Tschernobyl gelegenen Schitomir stammende Journalistin Alla Jaroschinskaja, die 1992 für ihre Veröffentlichungen zum AKW-Unfall in Tschernobyl den Alternativen Nobelpreis erhalten hatte, sagte der taz: „Ich weiß von Ingenieuren aus der Atomindustrie, dass der amerikanische Brennstoff nicht für russische Reaktoren geeignet ist, weil die Zirkonium-Röhren, in denen die Brennstofftabletten eingelagert werden, nicht ein Qualitätsniveau haben, das man als sicher bezeichnen könnte.“
Diese Röhren, in denen sich die Brennstofftabletten befinden, würden thermisch und anderweitig behandelt. „Und das Geheimnis dieser Behandlung scheinen die Amerikaner nicht zu kennen.“ Dies sei der Grund, so Jaroschinskaja, warum Tschechen und Ukrainer vor einigen Jahren Probleme beim Einsatz von Westinghouse-Brennstäben gehabt hätten.
Gleichzeitig setzt die Ukraine, die keine neuen Atomkraftwerke bauen will, auf eine Laufzeitverlängerung der teilweise seit mehr als 30 Jahren laufenden sowjetischen Reaktoren. Die hierfür erforderliche Modernisierung wird zu einem großen Teil von europäischen Institutionen mit Krediten ermöglicht. „Dass die Ukraine trotz Tschernobyl weiter auf Atom setzt und ihr nukleares Modernisierungsprogramm auch von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt wird, ist Wahnsinn“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl der taz. Wichtiger sei es, die Ukraine bei einer Energiewende zu unterstützen.
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