Atalanta-Bergamo-Fans in Corona-Krise: Ultras als Helfer

Ultras genießen nicht den besten Ruf – auch nicht die aus Bergamo. Durch ihr Agieren in der Corona-Krise könnte sich das nun endlich ändern.

Vier Fußballer vor einer gefüllten Tribüne

Krankheitsverbreiter auf der Tribüne? Atalanta Bergamo gewann am 19. Februar gegen den FC Valencia Foto: Massimo Paolone/Lapresse/ZUMA Press/dpa

ROM taz | Der größte Tag der jüngeren Klubgeschichte ist gerade mal 40 Tage her. Atalanta Bergamo hatte im Champions-League-Achtelfinale den FC Valencia geschlagen. Tausende von Fans feierten die Mannschaft in Mailand, wo das Spiel stattfand, weitere warteten mitten in der Nacht beim Trainingszentrum am Stadtrand auf ihre Helden.

Von dieser Freude ist nichts übrig geblieben. Zwei Wochen nach dem Spiel in San Siro wurde Bergamo zum Epizentrum der Corona-Epidemie in Italien: Die Situation erinnerte an einige Szenen des Romans „Die Brautleute“ von Alessandro Manzoni, in dem die Pestepidemie in Mailand 1630 beschrieben wird.

Doch Hilfe kam ausgerechnet aus der Fankurve von den Ultras in Bergamo, die wie an vielen Fußballstandorten kritisch beäugt werden. Nun setzten sich die Atalanta-Ultras ganz besonders für ihre Stadt ein: Als das Rückspiel in Valencia am 10. März vor leeren Rängen ausgetragen wurde, spendeten 1.200 Fans das für die Tickets rückerstattete Geld an die örtlichen Krankenhäuser. Zudem unterstützen die Ultras der „Curva Nord“ eine Aktion der Alpini, der Gebirgsjäger, von Bergamo, die gerade ein provisorisches Feldkrankenhaus bauen.

Diese Hilfe bestand nicht aus Geld, sondern: Gesucht wurden „10 bis 15 Maler, die mit Rollen, Bürsten, Silikon und Leitern ausgestattet sind“. Wenige Minuten nach Erscheinen der Anzeige auf der Facebookseite Sostieni la Curva (Unterstütze die Kurve!) hatten sich so viele Freiwillige gemeldet, dass der Aufruf gestoppt werden musste. Das Krankenhaus ist mittlerweile fertiggestellt.

Fans als „biologische Bombe“


In den vergangenen Wochen waren die Atalanta-Fans und damit auch die besonders engagierten Ultras zu einer Art Sündenbock geworden. Der Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, hatte die Überzeugung ausgedrückt, dass das Spiel zwischen Atalanta und Valencia am 19. Februar zur Verbreitung der Epidemie in seiner Provinz beigetragen hat. Im Umfeld von Atalanta sind bereits acht Mitarbeiter an dem Coronavirus gestorben.

Im Umfeld von Atalanta sind bereits acht Mitarbeiter an dem Coronavirus gestorben

Gori sprach sogar von den Fans, die als „biologische Bombe“ gewirkt hätten: „Nicht nur viele der 44.000 Zuschauer in San Siro könnten sich infiziert haben. Viele Fans haben sich in Bergamo in Lokalen oder Wohnungen versammelt, um das Spiel in Fernsehen zu schauen.“ Auch Atalanta-Kapitän Alejandro Gomez meinte, dass jene Partie eine Rolle bei der Verbreitung des Virus in Italien gespielt haben könnte. Solche Äußerungen haben in Italien dafür gesorgt, dass Fußballfans angefeindet werden. Das Spiel Atalanta vs. Valencia gilt vielerorts als die Ursache der Pandemie dargestellt.

Aber: Noch zehn Tage nach der Partie waren alle Firmen und Geschäfte geöffnet, und Bürgermeister Gori selbst relativierte die Covid-Gefahr mit dem Hashtag #bergamoisrunning. Sogar nach dem Dekret, mit dem am 9. März Italien zur Sperrzone wurde, durfte man in den Firmen der Lombardei weiterarbeiten. Es waren also fast zwei Millionen Menschen in Bewegung, wie die Tageszeitung Il Manifesto berichtet. Erst am 25. März beschloss die Regierung, alle beruflichen Tätigkeiten zu untersagen, die nicht unbedingt notwendig sind, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten.

Strafe wegen rassistischer Beleidungen

Für die Öffentlichkeit und einen Teil der Presse war es aber einfacher, ein Fußballspiel für die Verbreitung des Virus verantwortlich zu machen. 
Im Umfeld von Atalanta sind übrigens acht Mitarbeiter an dem Coronavirus gestorben, wie Präsident Antonio Percassi der Gazzetta dello Sport sagte: „Wir erleben eine unglaubliche Tragödie. Doch die Leute in Bergamo sind zäh und beweisen auch in dieser Situation einen starken Charakter.“

Das Bild der Ultras als Helfer steht in deutlichem Widerspruch zu dem Ruf anderer Atalanta-Fans. Die sind schon mal durch Affenrufe und andere rassistische Beleidigungen aufgefallen. Im September erst musste der Klub eine Strafe bezahlen, nachdem die Partie gegen AC Florenz wegen rassistischer Beleidigungen gegen AC-Verteidiger Henrique Dalbert für drei Minuten unterbrochen werden musste.

Die Ultras geben da ein ganz anderes Bild ab. In einem Brief an den Klub-Präsidenten Percassi baten sie nun darum, dass sich die Mannschaft aus der Meisterschaft zurückzieht – „aus Rücksicht auf die zu vielen Todesopfer des Coronavirus in Bergamo“.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels ist der Eindruck entstanden, die Ultras von Atalanta Bergamo hätten rassistische Pöbeleien zu verantworten. Das widerspricht jedoch ihrem Selbstverständnis.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.