Asylstreit spitzt sich zu: Seehofer droht mit Alleingang
Die CSU und Merkel ringen um eine Lösung im Asylstreit. Die Fronten sind verhärtet – die Parteien tagen getrennt. Seehofer droht, per Ministerentscheid zu handeln.
Im Kern streiten CSU und CDU seit Tagen darüber, ob auch Asylbewerber ohne Papiere sowie bereits abgeschobene Bewerber wie von der CSU gefordert nicht mehr über die deutsche Grenze gelangen dürfen. Bei der Zurückweisung von bereits in anderen europäischen Ländern registrierten Flüchtlingen hatte das CDU-Präsidium am Donnerstagmorgen Kompromissbereitschaft signalisiert.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reicht das Kompromissangebot der CDU aber nicht aus. „Bei der Zuwanderung dürfen wir keine halbe Sachen mehr machen“, sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel warb indes vor den CDU-Bundestagsabgeordneten um Unterstützung für ihren Kurs in der Asylpolitik. Nach dpa-Informationen von Teilnehmern der Sondersitzung bat sie um Vertrauen bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni in Brüssel. Bis dahin will Merkel tiefgreifende Fortschritte für eine gemeinsame Asylregelung in der EU erreichen.
Die Kanzlerin stellte in der Sitzung zudem ihren Kompromissvorschlag im Streit mit der CSU vor. Als erster Redner ergriff nach ihr Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble das Wort, der in der Fraktion hohes Ansehen genießt. Er stellte sich demonstrativ hinter den Kurs Merkels und warnte, es gehe nicht, dass die Union in einer so schwierigen internationalen Lage die Bundeskanzlerin schwäche.
SPD kritisiert Streit der Union
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles lehnte den CSU-Vorschlag für eine Abweisung von Asylbewerbern schon an der Grenze strikt ab. „Wir fordern die Union auf, ihre internen Streitigkeiten möglichst bald zu beenden“, sagte sie am Donnerstag in Berlin nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion, deren Vorsitzende sie ebenfalls ist. „Theaterstücke im Dienste von Landtagswahlen sind hier nicht angemessen“, sagte Nahles sie mit Blick auf die bayerische CSU, die im Oktober ihre Mehrheit bei der Landtagswahl verteidigen will und in der Flüchtlings- und Asylfrage auf eine harte Linie pocht.
„Wir sind zu einer ganz klaren Position gekommen“, sagte Nahles nach der Sondersitzung. „Wir haben sehr umfangreiche und konkrete Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zum Thema Migration und Asyl“.
Dabei gebe es von dem Prozedere für Rückführungen bis zu Ankerzentren für Asylbewerber und einem Einwanderungsgesetz klare Verabredungen. „Dazu stehen wir ausdrücklich.“ Der Vorstoß von Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, bereits in anderen EU-Staaten mit Fingerabdrücken registrierte Asylbewerber schon an der Grenze abzuweisen, steht nicht im Vertrag. Im Prinzip stützt die SPD hier die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die Töne aus der CSU klangen am Donnerstagmittag aber dennoch nicht wirklich kompromissbereit. „Wir haben der CDU mitgeteilt, dass wir jetzt Handlungsnotwendigkeit sehen“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor einer Sondersitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Deutschland stehe vor einer historischen Situation. Man müsse das Asylsystem neu ordnen, dazu gehöre, dass man jetzt Entscheidungen treffe und nicht auf unbestimmte Zeit verschiebe. Darüber hinaus unterstütze die CSU alle Bemühungen, europäische Lösungen herbeizuführen. Dies sei aber nicht kurzfristig machbar, „so dass wir jetzt handeln müssen“.
Das CSU-Vorstandsmitglied Hans Michelbach sprach sich dafür aus, bei einer Sondersitzung der Bundestagsfraktion über die verschiedenen Positionen im Asylstreit abstimmen zu lassen. Bislang ist aber noch unklar, wann genau es eine Sondersitzung geben wird.
In der Union wurde die Lage am Donnerstagmorgen äußerst schwierig eingeschätzt. Offen war nach wie vor, ob und wann die gesamte Unionsfraktion am Mittag noch zu einer Sondersitzung wegen des Asylstreits zusammenkommt. Die Spitzen von CDU und CSU hatten sich bereits am Mittwochabend nicht auf einen Kompromiss einigen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen