piwik no script img

Asylrechtsverschärfung Maghreb-StaatenGrüne meiden eine Festlegung

Die von den Grünen mitregierten Länder könnten im Bundesrat eine Verschärfung des Asylrechts verhindern. Doch das Thema ist heikel.

Tarek Al-Wazir (r.) hält sich bei der Diskussion um sichere Herkunftsstaaten bedeckt Foto: dpa

Berlin taz | Eigentlich sind die Grünen stolz darauf, in der Flüchtlingspolitik klare Kante für Humanität zu zeigen. So lehnen sie zum Beispiel den Plan der Großen Koalition ab, Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um dorthin schneller abschieben zu können. Diese Staaten seien nicht sicher, betont die Bundestagsfraktion der Grünen – und verweist auf Menschenrechtsverletzungen.

Doch ganz so klar, wie sie tun, ist die Haltung der Grünen dann doch wieder nicht. Denn nach wie vor ist offen, ob sie das Gesetz im Ernstfall im Bundesrat blockieren würden – oder ob sie es passieren ließen. Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir hat es am Dienstag auf mehrfache Nachfrage vermieden, sich zum Abstimmungsverhalten seiner Landesregierung in der Länderkammer festzulegen.

Der Bundestag habe bisher kein Gesetz beschlossen, sagte Al-Wazir in Berlin. „Schauen wir mal, was er beschließt. Und dann schauen wir wiederum, wie wir damit umgehen.“ Ein Erfolgsrezept der schwarz-grünen Koalition in Hessen sei, dass man dann, wenn eine Situation eintrete, erstmal intern rede. „Aber das können wir erst machen, wenn was auf dem Tisch liegt.“

In der Tat hat sich das Parlament noch nicht abschließend mit dem Gesetz befasst. Doch eigentlich liegen die relevanten Fakten auf dem Tisch. Das Bundeskabinett hat Mitte Juli einen Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) beschlossen, der das Vorhaben präzise dokumentiert. Al-Wazir müsste sehr genau wissen, was auf ihn zukommt.

Al-Wazirs Wort hat in dieser Frage Gewicht

Der pragmatische Realo steht bei linken Grünen unter Verdacht, bei dem heiklen Thema allzu kompromissbereit zu sein. Er regiert in Hessen mit der CDU, die für die Asylrechtsverschärfung ist – und würde die schwarz-grüne Koalition gerne fortsetzen. Al-Wazirs Wort hat in dieser Frage Gewicht.

Die Grünen regieren in neun Bundesländern mit und können deshalb Gesetze im Bundesrat stoppen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der ebenfalls mit der CDU regiert, würde für die Asylrechtsverschärfung stimmen – und hat das auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Große Koalition bräuchte nur noch die Stimmen eines weiteren von den Grünen mitregierten Landes, um das Gesetz durchzubringen – zum Beispiel die von Hessen.

Grünen-Chef Robert Habeck verwies am Dienstag nach einer Klausurtagung des Parteivorstandes, bei der Al-Wazir zu Gast war, auf Kriterien des Bundesverfassungsgerichts. Jenes habe sehr klar definiert, wann ein Herkunftsstaat als sicher gelten könne. Nach Auffassung „der meisten Grünen auch in den Ländern“ seien die Kriterien für die Maghreb-Staaten „nicht erfüllt“, betonte Habeck.

Al-Wazir räumte ein, dass sich in der Sache nichts verändert habe seit dem letzten Anlauf. „Das ist auch klar.“ Das ist eine Anspielung auf die Situation vor eineinhalb Jahren. Das Gesetz war im März 2017 schon einmal am Widerstand der Grünen im Bundesrat gescheitert. In den Maghreb-Staaten ist Homosexualität strafbar, immer wieder kommt es zu Misshandlungen gegen Schwule und Lesben – auch durch die Polizei.

Die Große Koalition hatte das Gesetz nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 aufgelegt, in der es zu sexuellen Übergriffen durch Männer aus Nordafrika kam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • In Baden-Württemberg sind die Grünen mittlerweile schwärzer als die CDU.

    • @stm-ka:

      es besteht also noch Hoffnung?

  • Wieviele von den Menschen,die über das Mittelmeer kommen sind in den Maghrebstaaten verfolgt? Für die meisten sind diese Staaten einfach nur die letzte Station in Afrika vor der Überquerung des Mittelmeeres.Deshalb wundert es mich,dass es der entscheidende Punkt sein soll,ob den Menschen dort Verfolgung droht.

  • Wenn die Konservativen erst einmal schnallen, dass die Grünen das sind, was die FDP vor 20 Jahren war, dann kommen die Grünen auf über 30%.

  • Es ist die richtige Strategie indifferent zu sein. Zu oft wurden die Grünen für eine klare Position ausgekontert. Es zählt, was am Ende dabei herauskommt.

    Dabei müssen die Grünen auch bei ihrer Linie bleiben. Es war wohl 1996 auf einer BDK in Bonn oder so, wo ein Antragsteller ein "ihr Kinderlein kommet" und offene Grenzen forderte. Dieser Antrag aus einem Kreisverband wurde mit über 90 Prozent abgebügelt. Schon damals war man der Meinung, nur ein begrenzter Zuzug könne dauerhaft ertragen werden.

    Seitdem, also seit gut 22 Jahren, versucht man ein Einwanderungsgesetz zu formulieren. Gedacht wurde ursprünglich an Zwanzigtausend pro Jahr, Vorbild Kanada oder so. Das fand weder bei der CSU noch bei den Identitären viel Gegenliebe. Heute fragt man sich, ob der Unterschied so groß ist oder ob die



    Seehofers und Söders nicht auch für die "Reinhaltung des Blutes" sind.

    Bei den sicheren Drittstaaten ist es einfacher. Da die Grünen "sichere Drittstaaten" vom Konzept her ablehnen und den Punkt gerne aus dem Grundgesetz gestrichen sähen, ist die Liste der Staaten eher zweitrangig. Wichtiger sind die Ausführungsbestimmungen. Gilt das Asylrecht auch für Leute aus solchen Staaten?

    Grundsätzlich bleibt das Problem, würde das Grüne Programm 1 zu 1 angewandt, müsste es weiter Abschiebungen geben, wie sie auch in Grün regierten Ländern stattfinden. Das ist ein großer Unterschied zur Linken. Doch die wird ja jetzt zu "Aufstehen".

    • @mdarge:

      Ok Ok. Nich der Pudding.

      Aber breitgetretener Quark.



      Macht ja nu ooch nich stark.



      Normal. Newahr.



      Njorp.

      unterm------Karl mit Vogelvau



      “Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut."



      Bourgeoiser Grüner Biedermeier 2018



      Keinen Arsch im Beinkleid. Nirgendwo.



      Bitter - aber wahr.

  • Die Grünen haben im BR - weitaus schlimmer! - trotz Mehrheit www.bundesrat.de/S...blob=panorama&v=60 bereits den Stopp des Familiennachzugs zu subsidiar geschützten Geflüchteten von März bis Juli 2018 und die anschließende Kontigentierung in einem real kaum umsetzbaren Verfahren bestätigt - sprich die weitere Aussetzung ab August 2018 bestätigt:



    www.bundesrat.de/D...kt/18/965/001.html

  • Von Georgien können wir bzgl. Rechtsstaatlichkeit noch was lernen!

    Während eines Besuches vor zwei Jahren musste ich feststellen, dass alle Polizisten mit Bodycams ausgestattet sind. Im Gespräch mit Einheimischen wurde mir glaubhaft und überzeugt erklärt, dass dies geschehe, um Verbrechen durch die Polizei zu verhindern. Während in Deutschland die Polizei Bodycams fordert, um (außschließlich) Delikte gegen Beamte besser zu verfolgen......

  • Die Grünen sind mittlerweiler vom Neoliberalismus zerfressen.

    • @Anna Deiport:

      Scheinbar ist das, was ihr als "Neoliberalismus" bezeichnet aber genau das, was die Grünen-Wähler wollen. Die Grünen sind nämlich insbesondere dort stark, wo sie bürgerlich auftreten.

  • Tja - Nagel mal nen Pudding an die Wand*!*;((