Asyldebatte der Linkspartei: Unter Linken
Seit Monaten streiten sich Kipping-Anhänger und Wagenknecht-Freunde. Eine Zeitreise hilft, diesen Konflikt zu verstehen.
Aber das Foto ist ein Signal im innerparteilichen Machtkampf: „Was Kipping und Riexinger, deren Publikumsresonanz bei Veranstaltungen sich in der Regel in engen Grenzen hält – dazu berechtigt, den Versuch zu unternehmen, die Spitzenkandidaten zu demontieren, ist eine offene Frage“, hatte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in einem Brief an die Fraktion geschrieben. Seht her, sagt das Foto, auch ich, Katja Kipping, kann Säle füllen.
Wagenknecht gegen Kipping, Kipping gegen Wagenknecht, so geht das seit Monaten. Für offene Grenzen, gegen offene Grenzen, für eine Sammlungsbewegung oder dagegen. Rücktrittsdrohungen, Intrigen, Machtkämpfe. Der Hass aufeinander ist auch bei den Mitarbeitern zu spüren, von denen manche in vertraulichen Gesprächen kaum mal die eigenen Chefs loben, sondern stattdessen die jeweilige Gegenseite madigmachen.
Was ist das? Ein Streit zwischen zwei Frauen, die nicht miteinander können? Ein inhaltlicher Streit?
Wagenknecht „grillt den Profi“
Kipping redet in diesen Wochen vor dem Parteitag beim Katholikentag in Münster, in Dresden über das bedingungslose Grundeinkommen, in Berlin beim Karl-Marx-Kongress der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie kann Small Talk, spricht gerne mit Genossen und Abgeordneten, gilt als begabte Netzwerkerin. Sie wirkt, als wäre sie in der Partei zu Hause.
Wahlen I Vom 8. bis 10. Juni trifft sich die Linke zu ihrem Parteitag. Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger stehen zur Wiederwahl an, Gegenkandidaturen gibt es bislang nicht. Offen ist, wie deutlich der Denkzettel für beide nach den Querelen mit der Fraktionsspitze ausfallen wird.
Wahlen II Für den Bundesgeschäftsführerposten hat der Vorstand Jörg Schindler nominiert, der zum Kipping-Lager gehört. Im Wagenknecht-/Bartsch-Umfeld sieht man seine Nominierung skeptisch – auch weil der Geschäftsführer den Wahlkampf plant. Schatzmeister soll der frühere Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf werden. Kampfkandidaturen stehen um die vier Plätze als VizeparteichefIn an: Bisher kandidieren Axel Troost, Tobias Pflüger, Ali Al-Dailami, Martina Renner, Simone Oldenburg und Janine Wissler.
Auftritte von Wagenknecht gibt es im Frühjahr nur wenige. Zweimal sagt sie erkrankt ab, eine Lesung in Erfurt ebenso wie die Fraktionsklausur im März. Auf dem Flur vor dem Fraktionssaal lästern ihre Gegner: Zeit für Interviews fände sie immer, die Sitzung lasse sie sausen. Auch zu den Parteivorstandssitzungen erscheine sie nicht.
Das Geschäft einer Fraktionsvorsitzenden – Abgeordnete einbinden, Kompromisse aushandeln – ist nicht ihre Stärke. Persönlich wirkt sie immer etwas unnahbar. Dennoch ist ausgerechnet Wagenknecht zur populärsten Politikerin der Linken geworden. Im letzten Jahr sprach sie mit der Bunten über Privates („Geständnis: Sie hätte so gerne Kinder gehabt!“), im Mai trat sie in der Vox-Kochshow „Grill den Profi“ auf, dort bereitete sie Schnee-Eier zu.
Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine versucht den Konflikt als von Missgunst getrieben darzustellen, ausgehend von Kipping. Auf Facebook schreibt er vom „Neid auf andere, die ähnlich populär oder populärer als man selbst“ seien.
2012: Bartsch gegen Lafontaine
Wenn man den Streit in der Linken wirklich begreifen will, muss man zwei Zeitreisen machen. Die eine führt ins Jahr 1990, dazu später. Die andere führt ins Jahr 2012. Damals, am Ende des Göttinger Parteitags, stehen Delegierte in einer Ecke der Halle und skandieren: „Ihr habt den Krieg verloren, ihr habt den Krieg verloren!“ Damit verhöhnen Linke normalerweise Nazidemonstrationen. Hier ist mit „Krieg“ die Auseinandersetzung zwischen dem Lager der Reformer aus dem Osten um Dietmar Bartsch und der Parteilinken um Oskar Lafontaine gemeint.
Bartsch fällt in Göttingen bei der Wahl zum Parteichef durch, knapp gewählt wird der eher unbekannte Stuttgarter Gewerkschafter Bernd Riexinger, den das Lafontaine-Lager ins Rennen geschickt hat. Seine Ko-Vorsitzende wird Katja Kipping, deren Strömung Emanzipatorische Linke damals nur eine geringe Hausmacht hat. Aber von vielen wird sie zu den Reformern gerechnet, sie stammt wie Bartsch aus dem Osten. Deshalb hat der Ostler und Reformer Bartsch schlechte Karten, als Kipping den Frauenplatz in der Doppelspitze besetzt. Das begründet den Hass des Bartsch-Lagers auf Kipping.
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In Göttingen steht die Zukunft der Linkspartei auf der Kippe. 2005 hatte alles so gut angefangen: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine riefen zur Gründung der Linkspartei aus PDS und WASG auf. Eine neue, linkssozialdemokratische Partei sollte entstehen und dem Sozialabbau von Rot-Grün Einhalt gebieten. Aber die Wirklichkeit war komplizierter: Der Reformerflügel aus der PDS etwa war als Teil der rot-roten Berliner Landesregierung mit dabei, als dort Wohnungen privatisiert und Sozialhilfen gekürzt wurden. Viele Lafontainisten hielten die Bartsch-Anhänger für Wiedergänger des rechten SPD-Flügels.
Aus der SPD wechselten nur wenige in die Linke. Prominente wie Rudolf Dreßler und Ottmar Schreiner blieben Sozialdemokraten. So war Lafontaine im innerparteilichen Machtkampf auf ein Bündnis mit Linksradikalen angewiesen. Etwa mit der trotzkistischen Gruppe Linksruck.
Das kleine Wunder kommt 2015
Nach der Wahl von Kipping und Riexinger ist der Krieg vorbei, vorerst. Nun setzt die Guerillataktik ein. In die Medien sickern bald kleine, schmutzige Leaks aus dem alltäglichen Parteikampf. 2013 berichtet die Welt über ein „Liederbuch für fröhliche Bartschisten“, das Stücke wie „Auf, auf zum Bartsch“ enthält. Textprobe: „Die roten Haare werden wir ihr roden, der Hexe Kipping verweigern wir die Hand.“
Trotzdem geschieht 2015 ein kleines Wunder: Der Lafontaine-Flügel und die Bartschisten schließen Frieden, Bartsch und Wagenknecht beerben Gregor Gysi als Fraktionschef. Gemeinsam, als Doppelspitze. Beide haben Vertrauen in der gemeinsamen Arbeit als stellvertretende Fraktionschefs gewonnen. Das sogenannte Hufeisen ist geboren: das Bündnis von Parteilinken und Parteirechten, die Mitte um Kipping und Riexinger behält den Parteivorsitz. Es hätte Frieden in der Linken herrschen können, wenn nicht gerade zu diesem Zeitpunkt mehrere Hunderttausend Flüchtlinge nach Deutschland gekommen wären.
Damit beginnt die zweite Zeitreise, sie geht weiter zurück – bis 1990: Die Mauer ist gefallen, Oskar Lafontaine SPD-Kanzlerkandidat und Ministerpräsident im Saarland. Schon im Juli haben fast 100.000 Flüchtlinge einen Antrag auf Asyl gestellt. In der saarländischen Kleinstadt Lebach sind rund 1.400 Romaflüchtlinge aus Rumänien untergebracht. Diebstähle sollen sich häufen. Bürger demonstrieren: „Lebach wird zur Geisterstadt/weil’s so viel Zigeuner hat“, heißt es auf einem Transparent. Ein Aufmarsch ins Flüchtlingslager kann gerade noch verhindert werden.
Lafontaine zieht daraus einen Schluss: „Das Asylrecht muss so gestaltet sein, dass die Bevölkerung es akzeptiert“, sagt er. Ohne die Änderung des Grundgesetzes sei das „leider“ nicht zu haben. Noch blockt die SPD.
1993: SPD und Union verstümmeln das Asylrecht
Doch zwei Jahre, Hunderttausende Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, rechtsradikale Brandanschläge auf Migranten und einige Wahlerfolge der Republikaner später ist es so weit: Die SPD beschließt die sogenannte Petersberger Wende und verstümmelt mit der Union des Asylrecht. Es bleibt im Grundgesetz verankert, gilt aber nur noch für jene, die nicht über einen sicheren Drittstaat kommen. Also für fast niemanden mehr. Das Problem wird auf die EU-Grenzstaaten verlagert: auf Italien, Spanien, Griechenland.
Die Asylbewerberzahlen gehen massiv zurück, die Anschläge und Wahlerfolge der Rechtspopulisten auch. 1998 gewinnen SPD und Grüne die Bundestagswahl. Asyl spielt keine Rolle im Wahlkampf, Themen der sozialen Gerechtigkeit dominieren. Lafontaine hat der SPD mit der Petersberger Wende den Wahlsieg 1998, das Ende von Kohl und damit die Hoffnung auf eine sozialere Politik in Deutschland ermöglicht – die aber ausbleibt, weil Lafontaine Schröder die Kanzlerkandidatur überlassen hat und nach einem halben Jahr als Finanzminister hinwirft.
Für prinzipienfeste Linke gibt es in den neunziger und nuller Jahren drei politische Schocks: die Zustimmung der SPD zur Asylrechtsänderung 1993, die Beteiligung am Kosovokrieg, die Agenda 2010. Lafontaine ist gegen die letzten beiden, aber die treibende Kraft hinter dem ersten. Als er 2007 Parteichef der Linkspartei wird, ist das vergessen. Die Asylfrage ist ein Nischenthema geworden.
Auf all diese Schocks reagieren die prinzipienfesten Linken auf zwei Weisen: Viele halten mehr oder weniger an den alten Regelungen fest, auch am alten Asylrecht. So handhabt es auch die PDS, die in ihrem Programm von 1993 „offene Grenzen für Menschen in Not“ fordert.
„No border“-Bewegung verankert sich in der Linken
Und es gibt die „No border“-Bewegung, die Ende der neunziger Jahre entsteht und grenzenlose Bewegungsfreiheit fordert. In sie wandern auch Teile des postautonomen Milieus ab, das dort seinen Maximalismus auslebt. Die Postautonomen betonen das Recht von Individuen, ihren Bedürfnissen nachzugehen: Wer nach Deutschland ziehen will, darf in seinem Willen nicht eingeschränkt werden. Der Staat hat in ihrem Denken höchstens die Aufgabe, dafür Hilfen zur Verfügung zu stellen.
Sozialdemokratische Positionen denken dagegen immer auch vom Staat her: Es ist erlaubt, Anforderungen an Bürger zu stellen. Wer ein Recht auf Aufenthalt möchte, muss seine Notlage nachweisen und sich integrieren.
Der „No border“-Bewegung gelingt es in den folgenden Jahren, Slogans wie „Kein Mensch ist illegal“ und „Bleiberecht für alle“ zu popularisieren und in einer breiteren Linken zu verankern, für die auch Kipping steht. Zudem strömt ein Teil des postautonomen Milieus in die Linkspartei, besetzt einflussreiche Jobs in der Parteizentrale und in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Als die Linkspartei 2011 in Erfurt ihr erstes Parteiprogramm beschließt, schreibt sie nach einem Änderungsantrag aus Sachsen die Forderung nach „offenen Grenzen für alle Menschen“ hinein – im Entwurf des Bundesvorstands war nur von Asyl für „Menschen in Not“ die Rede.
Dann kommt die Kölner Silvesternacht
Damit ist die Lunte in der Linkspartei gelegt, als 2015 das von Lafontaine 22 Jahre zuvor mit verantwortete Asylregime zusammenbricht und Staaten wie Griechenland oder Italien die Flüchtlinge Richtung Deutschland durchwinken.
Während viele Linksparteiler die Flüchtlinge euphorisch begrüßen, fordert Lafontaine schon im November 2015 „feste Kontingente in Europa“. Wagenknecht sagt, dass Deutschland „nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen könne“. Der Parteivorstand reagiert mit einem Beschluss, in dem es heißt, dass Asyl „ein Grundrecht“ sei „und weder durch Obergrenzen noch durch Kontingente“ eingeschränkt werden könne.
Dann kommt die Kölner Silvesternacht. Bartsch und Wagenknecht treten vor die Presse, Bartsch redet zur Innenpolitik, Wagenknecht über Erdoğan. Und schiebt eine Bemerkung zu Köln hinterher: „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt.“
Es ist ein Satz, wie ihn in diesen Tagen auch Angela Merkel, Malu Dreyer oder Björn Höcke sagen. Gastrecht, das heißt: Die Flüchtlinge sind wie Touristen – und nicht vor Krieg oder Verfolgung geflohen. Der Begriff verschweigt, dass die meisten Flüchtlinge einen Rechtsstatus und Rechtsanspruch haben, weshalb man sie nicht ausweisen kann.
Umgang mit der AfD
Bis zur Bundestagswahl 2017 streitet die Linkspartei weiter über die Flüchtlingspolitik, aber der Konflikt bleibt halbwegs unter Kontrolle. Flüchtlingsunterstützer knallen Wagenknecht auf dem Magdeburger Parteitag 2016 eine Torte ins Gesicht, was auch ihre innerparteilichen Gegner zu Solidaritätsbekundungen nötigt.
2016 ist das Jahr, als die Briten für den Brexit stimmen und in den USA Trump gewinnt, in beiden Fällen auch dank vieler Stimmen aus der Arbeiterschicht. In Deutschland wird „Rückkehr nach Reims“ zum Renner. Didier Eribon beschreibt darin, wie seine proletarischen Eltern von Wählern der Kommunisten zu Wählern des Front National werden. Bei der Bundestagswahl 2017 verliert die Linke viele Wähler an die AfD, gewinnt aber im Westen vor allem in den Städten dazu.
Soll man die zur AfD abgewanderten Wähler zurückholen? Und wenn ja, mit welchen Angeboten? Oder reicht es, wenn sich die Linkspartei auf die neuen, urbanen Milieus konzentriert? Das ist die Debatte, die Oskar Lafontaine wenige Tage nach der Bundestagswahl vom Zaun bricht: „Man darf die Lasten der Zuwanderung nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit sind. Wenn diese Menschen sich nicht mehr durch linke bzw. sozialdemokratische Parteien vertreten fühlen, wählen sie in zunehmendem Maße rechte Parteien“, schreibt er auf Facebook. Auch einen Seitenhieb auf die schlechten Wahlergebnisse von Kipping und Riexinger in ihren Bundesländern kann sich Lafontaine nicht verkneifen.
In den Wochen darauf geht es drunter und drüber: Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, ein Mittler zwischen den Lagern, wirft hin. Kipping und Riexinger drängen darauf, dass Bartschs und Wagenknechts Rollen in der Fraktion beschnitten werden, was Wagenknecht mit Rücktrittsdrohungen verhindert. Auf einer Fraktionsklausur in Potsdam wird der Streit für alle sichtbar: Auf der abschließenden Pressekonferenz weist Wagenknecht Riexinger öffentlich zurecht, als der die Anwesenden begrüßt („Bernd, das ist die Pressekonferenz der Fraktion“).
Das Phantom Sammlungsbewegung
Dann schlagen Wagenknecht und Lafontaine eine Sammlungsbewegung vor, die die zur AfD Abgewanderten gewinnen soll. Eine Provokation für Abgeordnete und Mitarbeiter, denn bei einer neuen Partei wären ihre Posten in Gefahr. Nur haben Wagenknecht und Lafontaine wenig in der Hand: Über Monate gibt es keine Unterstützer, keinen Aufruf – die Sammlungsbewegung bleibt ein Phantom. Der linke Flügel setzt sich von Wagenknecht ab, ein Teil der Reformer sucht den Schulterschluss mit Kipping.
Zurück im Hörsaal in Köln, an dem regnerischen, grauen Tag im April. Kipping spricht zum Thema „Wer flüchtet schon freiwillig?“. Das Publikum weiß, wer gemeint ist, auch wenn der Name Wagenknecht nicht fällt. „Ich bin nicht in die Politik gegangen, um dem Zeitgeist nach dem Mund zu reden. Ich stehe zum Recht auf Asyl“, sagt Kipping unter Beifall.
Wagenknecht lädt nach ihrer Genesung Mitte Mai Hauptstadtjournalisten zu einer der regelmäßigen Hintergrundrunden der Fraktion. Es gibt Wein, Antipasti und Nudeln im Il Punto, einem noblen Italiener, der schon in Bonn Parlamentarier und Medien verköstigte und in Berlin eine Zweigstelle eröffnete. Die rund 20 Journalisten fragen lustlos nach Parteitag und Sammlungsbewegung, der Dauerstreit in der Linken ist Routine geworden. Aus solchen Gesprächen darf nicht zitiert werden, deshalb nur so viel: Wagenknecht sagt wenig, was über die offiziellen Verlautbarungen hinausgeht.
Aber am nächsten Morgen hat Spiegel Online ein Entwurfspapier für die Sammlungsbewegung. „Fairland“ soll sie heißen, Wagenknecht dementiert den Namen wenige Tage später. Der linke Flügel der Partei schimpft, Bundesvorstandsmitglied Thies Gleiss schreibt von der „wachsenden Verblödung“ eines Teils der Parlamentsfraktion. Lafontaine spricht wenige Tage später in Saarbrücken gegenüber der taz von „Tätern, die sich als Opfer dargestellt“ hätten – und meint Kipping und Riexinger.
In zwei Jahren werden die Karten neu gemischt
Der böse Tonfall hält an. Und dennoch wird der Parteitag am nächsten Wochenende wohl glimpflich ablaufen. Im Leitantrag ist wieder von „offenen Grenzen“ die Rede, allerdings in einer Fassung, die wie ein Bibelzitat die Auslegung in alle Richtungen ermöglicht. Und: Das Wagenknecht-Bartsch-Lager hat keine Gegenkandidaten zu Kipping und Riexinger gefunden. Es ist die letzte Amtsperiode der Parteichefs, niemand will sich verbrennen. Erst in zwei Jahren werden die Karten neu gemischt.
Was treibt nun den Streit in der Linkspartei an? Neid, inhaltlicher Streit oder die Unerbittlichkeit von Linienstreiten in linken Parteien? Wahrscheinlich ein bisschen von allem.
Am Ende des Parteitages werden sie in Leipzig wieder „Die Internationale“ singen. Die Musik vom Band, ein paar Fäuste gereckt. Ein Ritual, das der Linken etwas peinlich geworden ist. Besser passen würde es, sie läsen zum Schluss Bertolt Brechts „An die Nachgeborenen“ vor: „Ach, wir / Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit / Konnten selber nicht freundlich sein. / Ihr aber, wenn es soweit sein wird / Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist / Gedenkt unsrer mit Nachsicht.“
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