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Asyl vor OrtBremen ist nicht gegen Roma

Dass Südosteuropa für Roma „sicher“ sei, dem kann der Senat wohl nicht zustimmen. Ein solcher Gesetzentwurf zur Flüchtlingsabwehr steht im Bundesrat an.

Roma-Junge am Rande Belgrads: Er lebt angeblich "sicher". Bild: Schneider

BREMEN taz | Etwa 150 Menschen haben am Donnerstag auf dem Marktplatz für ein Bleiberecht für Roma demonstriert. Auch der Bremer Senat wird sich in der nächsten Woche mit der Diskriminierung der Minderheit in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina beschäftigen.

Der Anlass: Die Bundesregierung plant, die drei Staaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu deklarieren, um Asylbewerber aus diesen Ländern schneller abschieben zu können. Das Gesetz bedarf einer Zustimmung der Länder im Bundesrat, wo es nächste Woche auf der Tagesordnung steht. Dem Vernehmen nach wird sich Bremen im Bundesrat enthalten – was dort wie eine Gegenstimme wirkt.

Das Vorhaben sei „rassistisch“ und „antiziganistisch“ motiviert, sagte gestern eine Rednerin auf der Demo. Tatsächlich sollen Menschen durch das Gesetz abgeschreckt werden, nach Deutschland zu kommen. Begründet wird dies mit steigenden Asylbewerberzahlen und einer geringen Anerkennungsquote für Menschen aus diesen Ländern: In den ersten vier Monaten in 2014 stammte ein Fünftel aller Asyl-Erstanträge von Menschen aus Serbien, Mazedonien oder Bosnien-Herzegowina – 6.682 von 32.949 Anträgen.

Gelten die drei Staaten (neben Ghana und Senegal) als „sicher“, so verkürzt sich das Asylverfahren. Eine individuelle Verfolgung nachzuweisen würde schwerer, Asylanträge als „offensichtlich unbegründet“ gelten. Bei Ablehnung müssten die Asylbewerber innerhalb von einer Woche ausreisen, Fristen für Widersprüche verkürzten sich und hätten keine aufschiebende Wirkung mehr.

Roma: rassistisch verfolgt

Das Verwaltungsgericht Stuttgart urteilte am 25. März 2014, dass Roma in Serbien durchaus verfolgt werden (

).

Zwei Angehörigen der Roma-Minderheit aus Serbien erkannte das Gericht den Flüchtlingsschutz zu, deren Anträge zuvor vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt worden waren.

Über den Einzelfall hinausweisend heißt es im Urteil: Bei einer Rückkehr nach Serbien hätten die beiden Roma "mit einer Verfolgung zu rechnen" [...], "die an ein asylrelevantes Merkmal, die Rasse, anknüpft".

Roma in Serbien seien, "extrem benachteiligt" und "gezwungen, am Rand der Gesellschaft zu leben". Sie seien Angriffen ausgesetzt, wobei "die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz gewähren".

"Entscheidend" aber sei, dass Roma durch den serbischen Staat in ihrem Menschenrecht auf Freizügigkeit beschnitten würden, Bestrafungen nach dem serbischen Meldegesetz "selektiv gegen Roma erfolgen" und ein neuer serbische Paragraph (§350a) sich "speziell gegen Roma richtet und diskriminierend ist".

Das BAMF hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

„Wir haben langsam die Schnauze voll“, sagte ein Roma-Aktivist der Kampagne „alle bleiben“ auf dem Marktplatz. Er berichtete vom rassistischen Alltag und der Kontinuität der Verfolgung der Roma in Europa.

Widerstand gegen den Gesetzentwurf kommt dabei auch aus den Bremer Regierungsfraktionen. „Ich sehe das Vorhaben sehr kritisch“, sagte SPD-Innenpolitiker Sükrü Senkal zur taz. Bremen sei in Sachen Migration und Integration „weit vorne“: „Wir wollen nicht durch Druck der Bundesregierung einen Schritt zurück machen.“

Noch deutlicher werden die Grünen: „Für uns ist das eine weitere Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl“, sagte deren innenpolitischer Sprecher Björn Fecker. Seine Fraktion lehne das Vorhaben ab. „Gerade vor der historischen Verantwortung Deutschlands hätte ich mir mehr Sensibilität von der Bundesregierung gewünscht“, so Fecker.

Denn, dass das Gesetz hauptsächlich Roma träfe, ist im Entwurf explizit formuliert: Er enthält einen Verweis auf eine Untersuchung des „Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen“ vom November 2013, wonach die Ursachen für die EU-weite Erhöhung der Asylantragszahlen aus den Westbalkanstaaten, „insbesondere in den gesellschaftlichen und sozialen Problemen der Roma“ lägen – „nicht jedoch in einer Verfolgung dieser Personengruppe“.

Laut Asylrechtsexperte Reinhard Marx ist letztere Interpretation das Problem: Die Analyse der Bundesregierung sei „verharmlosend und irreführend“. In zahlreichen Berichten, etwa von der OSZE oder der Europäischen Kommission wird die extrem schlechte Lage der Roma anerkannt. „Wenn Roma keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Bildung, zu medizinischer Versorgung haben, ihre Siedlungen zwangsgeräumt werden und dies alles im Zusammenwirken massive Folgen hat, dann kann dies kumulative Verfolgung darstellen“, erklärt auch die Menschenrechts-Organisation Pro Asyl.

Roma hätten etwa in Mazedonien eine Lebenserwartung, die zehn Jahre unter der der Gesamtbevölkerung liegt. Die Kindersterblichkeit bei Roma-Kindern sei mehr als doppelt so hoch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Diskriminierung und Ausgrenzung schlagen teilweise in Lebensgefahr um, wenn etwa der Zugang zu ärztlichen Notdiensten nicht gewährleistet ist.

Pro Asyl verweist auch auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Stuttgart, welches im März anerkannte, dass Roma in Serbien einer rassistischen Verfolgung ausgesetzt sind.

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