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Aserbaidschan-Affäre von CDU/CSULiebesgrüße aus Baku

Aserbaidschan betreibt in Europa Imagepflege – offenbar mithilfe mutmaßlich bestechlicher Unionspolitiker. Zwei von ihnen stehen jetzt vor Gericht.

Axel Fischer, Angeklagter und Ex-CDU-Parlamentarier, im Gerichtssaal Foto: Matthias Balk/dpa

München taz | Die Sache ist kompliziert. Bekannt sind die Vorwürfe gegen die beiden ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner und Axel Fischer schon seit Jahren, doch erst seit Donnerstag wird die sogenannte Aserbaidschan-Affäre vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Der Grund, so hatte die Generalstaatsanwaltschaft schon im Vorfeld mitgeteilt, sei das „konspirative Vorgehen der Angeschuldigten“ gewesen.

Dies habe zur Folge gehabt, dass sich die Ermittlungen sehr zeitaufwendig gestaltet hätten. Auch im Ausland habe man Nachforschungen angestellt, Rechtshilfeersuchen seien etwa an Belgien, Estland, Lettland, Liechtenstein, die Schweiz, die Türkei und Zypern gestellt worden.

Konkret geht es um eine Bestechungsaffäre, in die Lintner (CSU), Fischer und deren inzwischen verstorbene Kollegin Karin Strenz (beide CDU) verwickelt gewesen sein sollen. So soll Lintner im Auftrag Aserbaidschans Bestechungsgelder verteilt haben, Fischer und Strenz sollen diese angenommen haben. Im Gegenzug, so der Vorwurf der Anklage, wurden die beiden vor allem in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace) für das Land tätig, das sein Image im Westen aufpolieren will. Neben Lintner und Fischer sitzen in München auch Lintners Sohn und eine Mitarbeiterin von Strenz wegen Beihilfe zu den Taten auf der Anklagebank.

Lintner war von 1976 bis 2009 im Bundestag, in den Neunzigern war er zudem Staatssekretär im Innenministerium sowie Drogenbeauftragter der Bundesregierung. Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft erhielt Lintner zwischen 2008 und 2016 über insgesamt 19 Briefkastenfirmen rund 4 Millionen Euro aserbaidschanischer Herkunft. Einen Teil davon soll er an Politiker weitergeben haben, die im Gegenzug Entscheidungen im Sinne Aserbaidschans zu beeinflussen sollten.

Beziehungspflege auf aserbaidschanisch

Demnach bekamen auch Fischer und Strenz über die Lintner-Connection aserbaidschanische Bestechungsgelder. Sie waren als Mitglieder der Pace besonders interessant für Aserbaidschan: Die Pace erarbeitet Empfehlungen für den Europarat und besteht aus Mitgliedern der Parlamente der Mitgliedsstaaten.

Fischer soll als Gegenleistung für die Zahlungen in der Pace pro-aserbaidschanische Redebeiträge geliefert haben. Außerdem habe er Strenz als Kandidatin für den Monitoring-Ausschuss vorgeschlagen, damit diese dort wiederum für die aserbaidschanische Sache werben könne. Schließlich habe er auch einen vertraulichen Bericht weitergereicht.

Für seine Gefälligkeiten habe Fischer bis 2014 insgesamt 58.000 Euro, zwischen 2014 und 2016 noch mal rund 26.000 Euro erhalten. Die Beeinflussung der Tätigkeit von Mitgliedern der parlamentarischen Versammlungen internationaler Organisationen wie der Pace ist in Deutschland erst seit 2014 strafbar.

Seit langem bemüht sich Aserbaidschan um bessere Beziehungen zu Europa – und nimmt dafür offenbar auch reichlich Geld in die Hand. Für die EU ist das Land im Südkaukasus ein wichtiger Öllieferant geworden. Im November richtete Baku die Weltklimakonferenz COP29 aus. Gleichzeitig herrscht Präsident İlham Əliyev seit über 20 Jahren mit harter Hand in Aserbaidschan. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte dessen Vater dort mittels eines Militärputsches die Macht übernommen und ein autoritäres Regime installiert – geprägt von Personenkult und Korruption.

Politische Gegner werden verfolgt und eingesperrt. Gegen friedliche Kundgebungen von Regimekritikern geht die Polizei mit zum Teil exzessiver Gewalt vor. Nachdem Baku 2023 den Konflikt mit Armenien um die überwiegend von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach für sich entschied, wurden ihm von armenischer Seite „ethnische Säuberungen“ vorgeworfen. Im vergangenen Jahr ließ sich Əliyev in einer umstrittenen Wahl im Amt bestätigen – mit 92 Prozent der Stimmen.

Anwalt: Vorwürfe pauschal, nicht belegbar und falsch

Lintner und Fischer hatten bereits vor dem Verfahren ihre Unschuld beteuert. Strenz war 2021 während einer privaten Reise im Alter von 53 Jahren plötzlich verstorben.

In einem Statement wies Fischers Anwalt die Vorwürfe gegen seinen Mandanten am Donnerstag erneut vehement zurück. Diese seien pauschal, durch nichts belegbar und falsch. Viele der Vorwürfe seien bereits im Laufe des Ermittlungsverfahrens vollumfänglich entkräftet worden. Es habe nie Weisungen an Fischer gegeben, im Auftrag Aserbaidschans tätig zu werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft bezichtigte der Verteidiger zudem der „Stimmungsmache“, indem sie ausführlich auf Tatvorwürfe aus den Jahren vor 2014 eingehe, die, selbst wenn sie zuträfen, nicht strafbar wären. Sie bleibe außerdem die Antwort auf die Frage schuldig, wer genau was auf welcher Grundlage verabredet haben soll. Es gebe keine Beweise für Verabredungen, Bargeldübergaben oder Hinweise auf ein besonderes pro-aserbaidschanisches Abstimmungsverhältnis Fischers.

Seinen Mandanten stellte er als menschliches Wrack infolge der Berichterstattung über den Fall da. Seit dessen Wohnhaus im Jahr 2021 am neunten Geburtstag seiner Tochter durchsucht worden sei, sei die Familie traumatisiert. Er selbst sei in der Öffentlichkeit stigmatisiert, seine berufliche Zukunft zerstört.

Das Gericht hat zunächst 39 Verhandlungstage für den Prozess angesetzt. Die Sache ist kompliziert.

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1 Kommentar

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  • Klären und ggf. gut verknasten: Die Weißwäscher hätten dann u.a. den Krieg gegen die Armenier mit auf dem Gewissen. Dass der Union das nicht schon bei deren seltsamen Reden und Stimmabgaben so auffiel, ist auch nicht gerade ein Ruhmesblatt.