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Artikel-13-Demo in KölnBots bleiben laut

Der Protest gegen die geplante EU-Reform des Urheber*innenrechts dauert an. In verschiedenen Städten waren Tausende auf den Straßen.

Tausende „Bots“ waren auch in Köln unterwegs – Protestveranstaltung Anfang März in Berlin Foto: Imago / Ipon

Köln taz | Seit Wochen gehen tausende Menschen gegen eine geplante EU-Reform auf die Straße, die das Internet verändern könnte. In Berlin, Köln, München, Würzburg, Leipzig, Hamburg: bundesweit. Manchmal mehrmals die Woche.

Auch in Köln ist es an diesem Samstag wieder soweit. Das Ziel der Protestierenden: Die Reform zu verhindern. Dabei seien sie nicht gegen Urheber*innenrecht allgemein, betonen alle, die sich äußern. Besonders Künstler*innen müssten besser geschützt werden. Aber so, wie die Reform geplant sei, erreiche sie eben genau das nicht. Sondern das Gegenteil. Der Vorwurf: Lobbyismus durch große Verlage.

„Unsere Freiheit wird eingeschränkt durch einen Uploadfilter, der zwangsläufig kommen muss. Das haben Experten schon gesagt“, sagt Juki. Sie gehört zu den etwa 400 Menschen, die in Köln diesen Samstag bei Regen demonstrieren. Juki ist 21 Jahre alt und zum zweiten Mal auf einer Demo.

Auch ihre erste Demo war gegen die geplante Reform. „Wir wollen nicht, dass eingeschränkt wird, was wir hochladen. Ein Uploadfilter erkennt keine Parodien oder Satire – und das darf man hochladen nach deutschem Gesetz.“ Die Menge ruft: „Wir wollen keinen Artikel 13!“

Der Livestream

Für die taz war am Samstag Anett Selle bei der Demo in Köln unterwegs. Ihren Stream finden Sie hier.

Die geplante Reform sieht vor, Plattformen für Inhalte haftbar zu machen. Bisher haftet, wer hochlädt, beispielsweise wenn ein Inhalt das Recht von Urheber*innen verletzt. Dementsprechend würden Plattformen wie Youtube oder Twitter durch die Reform in eine Position gebracht, in der es nicht mehr reicht, widerrechtlich ins Internet gestellte Inhalte zu löschen.

Sie müssten vorsorgen – und das, so die Demonstrant*innen, gehe eben nur mit einer Struktur, die Inhalte vor dem Hochladen kontrolliert: einem sogenannten Uploadfilter. Und weil die Plattformen im Zweifelsfall haften, befürchten sie, dass Plattformen eher zu streng filtern als zu lasch.

„Nie mehr CDU!“

„So Aussagen wie die von Axel Voss, er könne nicht garantieren, dass die Meinungsfreiheit nicht auch mal eingeschränkt würde, das geht gar nicht“, sagt der 14-jährige Simon. „Wer sowas sagt, hat nicht zu regieren. Den kann man auch nicht wiederwählen.“

Wo vorher vor allem Jüngere demonstrierten, sind mehr Ältere hinzugekommen. Menschen über 30, über 40, über 50 sind keine Seltenheit mehr

Es ist Simons vierte Demo: Alle vier Demos waren Demos gegen die geplante Reform. „Ich finde, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland, beziehungsweise in ganz Europa, nicht eingeschränkt werden darf. Artikel 13 ist ein Prinzip, das nicht funktioniert. Die CDU sagt, es würde keine Uploadfilter geben müssen: Aber man braucht Uploadfilter, um zu verhindern, dass es keine Urheberrechtsverstöße mehr im Internet gibt.“ Die Menge ruft: „Nie mehr CDU!“

Drei Dinge fallen besonders auf bei den Protesten gegen die Reform. Erstens: Die Protestierenden weiten vermehrt die Grenzen ihrer Informationsblase aus. Sie verteilen Flyer, richten das Wort an Passant*innen, wollen die informieren, die noch nicht wissen, was passiert. Die, die nicht auf Twitter, Youtube oder Twitch vernetzt sind. Und das scheint Wirkung zu zeigen.

Denn zweitens: Wo vorher vor allem Jüngere demonstrierten, sind mehr Ältere hinzugekommen. Menschen über 30, über 40, über 50 sind keine Seltenheit mehr. Und drittens: Der Protest gegen die geplante EU-Reform ist dabei nach „Fridays for Future“ die zweite Bewegung zu werden, die junge Menschen auf die Straße bringt, die nie zuvor auf einer Demo waren.

„Ehrenseite, Ehrenseite!“

Inka ist 13 Jahre alt und mit ihren Freundinnen gekommen. „Wir hatten heute eh vor uns zu treffen und haben dann gehört, dass heute die Demo ist“, sagt sie. „Eine von uns ist aus Italien, eine aus der Nähe von Stuttgart, und wir wollten die Chance nutzen. Wir sind das erste Mal auf einer Demo, aber ich will am 23. auf jeden Fall nochmal.“

Am 23. März sind EU-weite Proteste gegen die Reform geplant. Knapp 20 mal allein in Deutschland. Bis dahin wird es weitere Aktionen geben: Das Internet-Lexikon Wikipedia beispielsweise, das als eine der wenigen Plattformen namentlich von der Haftung ausgenommen ist, wird am 21. März auf Deutsch nicht erreichbar sein: aus solidarischem Protest. „Ehrenseite, Ehrenseite!“, ruft die Menge. Und läuft weiter.

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9 Kommentare

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  • @rudolf fiessner



    zum ersten absatz: youtube, soundcloud, etc bietet die möglichkeit für künstler sich selbst zu vermarkten und eben nicht auf alte verlage, labels angewiesen zu sein. was ja auch funktioniert wie man sieht.

    zum zweiten absatz: das content_ID system ist der schutz der kreativen auf der seite von youtube zb kann man nachlesen. was im übrigen der beste uploadfilter ist der derzeit zur verfügung steht. diesen müssten alle andere plattformen gezwungener massen kaufen. der gehört google denen wiederum youtube gehört. würde also wiederum eine art monopol bedeuten mit den daraus entstehenden folgen... und wenn ein kreativer lieber youtube als "verlag/label" wählt ist das seine entscheidung.

    der dritten absatz ist in meinen obigen beiden erklärt. bis auf das "notice and take down verfahren" das auf den grossen funktioniert. (eine seite wie kinox.to zb lassen wir mal aussen vor, das ist das was man damit meint das man urheber schützen muss und keiner in frage stellt)

    das verlagssterben ist einfach lauf der dinge könnte man als "evolution" bezeichnen. eine unhandliche zeitung ist in der heutigen zeit einfach unbequem, unpraktisch und wenn man es genau nimmt nicht gut für die umwelt. jede zeitung hat ja heutzutage ein onlineangebot wie man hier sieht. das verlinken wird mit artikel 11 sehr eingeschränkt bzw unmöglich.

    abschliessend bleibt nur zu sagen, das uns (europa insbesondere deutschland als "modernes land") diese reform in der jetzigen form in die steinzeit zurückbefördern würde. wenn wir das nicht in manchen dingen schon sind, wenn zb google, die nichts mit dem autobau zu tun haben schon autonomes fahren möglich macht und unsere vorzeige industrie die kunden verarscht weil sie auch vergessen e-autos zu entwickelt um wiederum von einer firma die vorher nichts mit automobilbau zu tun hatte abgehängt zu werden. mal abgesehen vom flächendeckenden breitbandabdeckung, handynetz... aber das internet ist für uns alle #neuland. *zwinkersmiley

  • Und die Freiheit des Internets als Kolleteralschaden auf's Spiel zu setzen ist etwa die Lösung? Mit Sicherheit nicht.

    Viele alte Strukturen haben es schlichtweg verpasst ihre Geschäftsmodelle an die digitale Gesellschaft anzupassen und wollen dieses Versagen durch Verbote mit weitreichenden Folgen lösen. Es gibt genug Gegenentwürfe, wie z.B. eine Kulturflatrate, die Künstler*innen auch bei freizügiger Sharing-Kultur vergütet.

    Mit entsprechendem Willen ist es sicher Möglich einen Kompromiss für alle Beteiligten zu erzielen. Doch dieses Klammern der ewig Gestrigen, ist sicher nicht zielführend.

    • @motdin:

      Die Freiheit des Internets? YouTube, Google, Amazon, Whatsapp? Verlagssterben, Druckereistetbern, Zeitungssterben. Lustig ihr Pathos

      • @Rudolf Fissner:

        @rudolf fissner die zeit der printmedien ist schon lange vorbei, wer will heute noch mit einer unhantlichen zeitung in der bahn, etc sitzen wenn es mit dem handy bzw tablet so viel bequemer ist, das ist einfach das darwinsche prinzip. vor allem kann ich mir aussuchen was ich lesen bzw schauen möchte. selbiges mit tv nicht jeder möchte den fernsehgarten, bauer sucht frau oder den tatort sehen. mit youtube, twitch oder anderen plattformen habe ich eine riesige auswahl an Sendern, die das "alte fernsehen" nicht ansatzweise bewältigen könnte, ganz abgesehen von von unabhängigen berichten. man muss keine angst vor neuem haben man muss sich anpassen und mit der zeit gehen. die tagesschau zb gibt es auch auf youtube, dort schaue ich mir diese immer und zwar dann wenn ich es möchte, zb morgens in der bahn auf dem weg zur arbeit. man kann sogar in den kommentaren darüber diskutieren.

  • Urheberrecht und Art 13 verhalten sich zueinander wie Terrorabwehr und Polizeigesetz. Es sind Vorwände und Nebelkerzen, die massenweise Kollateralschäden billigend in Kauf nehemen, wenn nicht sogar eher Mittel Zweck dieser Zusatzeffekte sind...

    Und es ist auch das Auftreten dieser Bestrebungen auf diesen verschiedenen Ebenen, die uns am meisten ängstigen sollten.

  • „Dabei seien sie nicht gegen Urheber*innenrecht allgemein, betonen alle, die sich äußern. Besonders Künstler*innen müssten besser geschützt werden. Aber so, wie die Reform geplant sei, erreiche sie eben genau das nicht. Sondern das Gegenteil. Der Vorwurf: Lobbyismus durch große Verlage„

    Was für einen Schutz von Künstler* hat man sich den vorgestellt? Nur wenn genehme Verlage gewählt wurden für Veröffentlichungen? Oder gar keine Verlage? Ob Künstler sich einen „großen“ oder einen „kleinen“ Verlag aussuchen ist ganz allein deren Ding. Eine Bevormundung bei der Verlagsauswahl ist ein Unding.

    Das Verständnis für die Rechte der Urheber ist doch geheuchelt, deren Rechte sind Wumpe, ziel ist es Werke anderer frei in der Welt vervielfältigen zu können, auch gegen den Willen jener Geistesarbeiter, die sich mit ihrem Werk die Nächte um die Ohren geschlagen haben, auch um den Unterhalt für sich und die egene Familie zu erwirtschaften.

    Das Verlagssterben hängt zusammen mit dem Aufkommen des Internets. Das dabei die großen Verlage überleben ist eine Folge. Die Internetfreibiermentalität führt geradewegs in fette Blasen. Eine Suchmaschiene, ein Lexikon, ein Buchverlag.

    Wer auf ein Werk verweisen will, dem bleibt die Möglichkeit lizenzmäßig freie Werke hochzuladen oder auf Werke zu verlinken oder zu verweisen.

    • @Rudolf Fissner:

      Das Urheberrecht ist bereits jetzt im Internet durchsetzbar. Was man jetzt plant ist die Monetarisierung des Leistungsschutzrechts. Und das sind nun mal reine Lobbyinteressen

      • @Marcus Kochalski:

        Das Durchsetzen können sich doch nur große Konzerne und Verlage effektiv leisten.

    • @Rudolf Fissner:

      Kreative Künstler, Autoren usw. würden besonders unter dem Artikel 12 leiden, da damit das Teilurteil vom 14.11.2016 zur Ausschüttung von Nutzungsentgelten für Urheberrechte (PM 58/2016) indirekt ausgehebelt wird. Auf irights.info gab es neben der Pressemitteilung vom Gericht einen netten Kommentar:



      „Die Künstler haben die Macht. Jedenfalls bis zur nächsten Urheberrechtsreform, die die Verwertungsindustrie durchzusetzen versuchen wird.“



      Jetzt, nur 2 Jahre später ist es soweit! ;)