Armutsrisiko und Pflegeheim: Für den Heimplatz zum Sozialamt
Die Kosten für Menschen in Pflegeheimen steigen drastisch. Auch die kürzlich beschlossene Pflegereform kann das nur bedingt abfangen.
Da die Pflegeversicherung anders als die Krankenversicherung nur einen Teil der Kosten übernimmt, müssen Bewohner*innen einen Eigenanteil an den Pflege- und Betreuungskosten tragen. Hinzu kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen. Besonders das erste Jahr ist für Pflegebedürftige eine große finanzielle Belastung. Die Kosten sinken mit der Verweildauer.
„Es braucht zeitnah eine Lösung zur nachhaltigen Entlastung der Pflegebedürftigen, die nicht allein auf dem Rücken der Beitragszahler lastet“, mahnt Jörg Meyers-Middendorf vom vdek-Vorstand. Die Bundesländer müssten sich „endlich zur Übernahme der Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen verpflichten“.
Insgesamt gibt es aber große Unterschiede in den Bundesländern. Besonders teuer sind Pflegeheimplätze in Baden-Württemberg (2.913 Euro) und im Saarland (2.841 Euro). In Sachsen-Anhalt zahlten Bewohner*innen mit 1.994 Euro am wenigsten. Vergleicht man diese Summen mit den durchschnittlichen Renten, wird klar, dass die Heimkosten für viele nicht mehr zu stemmen sind: Ende 2022 wurden im bundesweiten Durchschnitt monatlich 1.384 Euro Rente ausgezahlt – wobei die Renten in den ostdeutschen Flächenländern deutlich geringer ausfallen. Wer nicht genügend Einkommen oder Vermögen hat, um einen Heimplatz zu bezahlen, muss zum Sozialamt.
Wurde das Problem politisch ignoriert?
„Das ist ein Riesenproblem“, sagt Pflegeberater Klaus-Peter Buchmann. Er arbeitet für die Arbeiterwohlfahrt des Landesverbands Sachsen e. V. (AWO). Der Anteil der Bewohner*innen, die Sozialhilfe beziehen, wachse kontinuierlich, hat er bemerkt. In Sachsen betreibt die AWO 58 stationäre und teilstationäre Einrichtungen. „In einzelnen Einrichtungen liegt der Anteil sogar bei über 90 Prozent“, sagt Buchmann. Und: Das Problem sei über Jahre hinweg politisch ignoriert worden.
Zumindest im vergangenen Jahr wurde politisch auf die steigenden Heimkosten reagiert. Seit 2022 zahlt die Pflegeversicherung für Bewohner*innen in vollstationären Einrichtungen einen Entlastungszuschlag. Dieser drückt die Kosten für die reine Pflege im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent, im zweiten um 25, im dritten um 45 und ab dem vierten Jahr um 70 Prozent. Das heißt, je länger ein Mensch im Heim bleibt, desto günstiger wird es.
Nach der kürzlich beschlossenen Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) werden diese gestaffelten Zuschläge ab 2024 erhöht. Dann wird der Eigenanteil für die reine Pflege im ersten Jahr statt um 5 Prozent um 15 Prozent verringert, im zweiten Jahr um 30, im dritten um 50 und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent. Die gestiegenen Heimkosten gehen neben allgemeinen Teuerungen auch auf gestiegene Personalkosten zurück. Seit September 2022 müssen alle Heime, die mit den Pflegekassen abrechnen, ihr Personal mindestens nach Tarif bezahlen.
„Wir erleben, wie Pflegebedürftigkeit immer mehr zu einer echten Armutsfalle wird“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Gemeinsam mit einem Bündnis aus verschiedenen Sozial- und Pflegeverbänden sowie Gewerkschaften fordert er eine Pflegevollversicherung. Diese müsse alle pflegebedingten Kosten abdecken.
Linke: Besserverdienende sollen mehr einzahlen
Das würde auch Ates Gürpinar, Pflegeexperte der Linkspartei, begrüßen. Pflegekräfte und zu Pflegende würden nicht mehr gegeneinander ausgespielt, „wenn endlich auch Besserverdienende angemessen in die Pflegeversicherung einzahlen würden“. Im Juli 2023 wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns angehoben. Eltern zahlen je nach Kinderzahl weniger. Kinderlose zahlen mehr.
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