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Armut in DeutschlandJedes siebte Kind braucht Hartz IV

Viele Minderjährige sind auf Hilfsleistungen angewiesen. In Bayern sind es besonders wenige, in Bremen und Berlin besonders viele.

Das sind nicht die neuen Nike Air. In Bremen und Berlin ist fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren von Hartz-IV-Leistungen abhängig Foto: ap

Berlin dpa | Rund jedes siebte Kind in Deutschland ist von Hartz-IV-Leistungen abhängig. Das geht aus einer Daten-Auswertung der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann anlässlich des internationalen Kindertags am 1. Juni hervor.

Im vergangenen Jahr waren im Schnitt 1,54 Millionen unter 15-Jährige betroffen. Das waren gut 30.000 mehr als im Vorjahr. Die Angaben stammen von der Bundesagentur für Arbeit.

In einzelnen Regionen ist die Lage deutlich schlechter: So ist in Bremen und Berlin mit 31,5 Prozent fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren von Hartz-IV-Leistungen abhängig (Ende 2015). In Sachsen-Anhalt sind es 21,8 Prozent, in Hamburg 20,4 Prozent. Prozentual am wenigsten Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.

Insgesamt sind in Ostdeutschland 20,3 Prozent der unter 15-Jährigen Hartz-IV-abhängig, in Westdeutschland 13,0 Prozent. Den stärksten Anstieg gegenüber dem Vorjahr gab es mit 2,1 Prozentpunkten in Bremen, den deutlichsten Rückgang mit minus 0,7 Prozentpunkten in Brandenburg und Sachsen.

Genau betrachtet gehe es beim Thema Kinderarmut nicht unmittelbar um die Armut der Kinder, sondern um die Armut ihrer Eltern und deren Auswirkung auf die Kinder, sagte Zimmermann. „In der enormen Anzahl der Hartz-IV-Beziehenden mit Kindern spiegeln sich die in vielen Regionen immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit viel zu wenigen Arbeitsplätzen und Niedriglöhne wider.“

Der Koalition warf die stellvertretende Vorsitzende der Linkenfraktion vor, zu wenig gegen das seit Jahren bekannte Problem zu tun. So müssten die Regelsätze für Kinder erhöht werden.

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6 Kommentare

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  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Wir können nicht Sportler, Filmschauspieler und sonstige Schaumschläger mit Millionen versorgen und dann noch an unsere Kinder denken. Das Geld wächst doch nicht an den Bäumen. Da muss man sich eben mal mit einer Tafel Kinderschokolade bescheiden. Da können die Kleinen dann sehen, wohin das Geld gewandert ist, welches eigentlich als Investition in ihre Zukunft gedacht war.

  • "1,54 Millionen unter 15-Jährige" und im Osten sind es 20 Prozent - da müsste man Hartz-IV als eine Volksangelegenheit bezeichnen, so viele junge Menschen sind davon abhängig. Und die Ämter zahlen denen nicht €404, sondern weniger Geld. Gerade Jugendliche neigen aber dazu, für die Eltern teuer zu werden. Warum die Behörden davon ausgehen, dass Jugendliche und Kinder so billig zu haben sind? Gute Frage, die können sich ja Bildungsgutscheine holen, aber nicht für den Besuch einer Disko oder Markenklamotten, denen Jugendliche oft anhängen. Wenn ALG II so toll ist, dann müssten ja jeden Tag die Leute aufhören und anfangen zu arbeiten. So einfach läuft das wohl doch nicht. Ich finde es ist Zeit, SPD, CDU, CSU und Grünen diese Megareform um die Ohren zu hauen. Das ist doch Mist und führt zur Vererbung von Armut und Ausgrenzung. Was können diese Kinder dafür? Wie können die Jugendlichen denn auch nur im Ansatz mit anderen Jugendlichen leben, wenn ihre Eltern auf den Knien gehen? Das fordert doch geradezu Abziehen und Kriminalität heraus.

  • Es geht um Vermarktungsfähigkeit und hier im Rahmen des Globalisierungswahns zusätzlich um die Differenzierung der Vermarktungsfähigkeit unter Maßgabe der erwünschten Mindestrendite.

     

    Betrachtet man die Sache klar von dieser Seite (und auch mal ganz bewußt nur von dieser), dann wird erkennbar, daß eine profitorientierte Gesellschaft real zwischen Menschen (hier Hartzler) und Tieren (z. B. Hähnchenzucht oder Milchkühen) nicht wirklich unterscheidet. Lediglich die Ausführungsmethoden sind verschieden, doch auch das kann sich schlagartig ändern, egal, ob so wie vor 80 Jahren oder so auf andere Weise.

     

    Solchem Geist angepaßt zeigt sich auch die Ähnlichkeit zwischen Geiz-ist-geil-Lebensmitteln und der Politik. Bei beidem ist nicht drin, was draufsteht oder was glauben gemacht wird.

     

    Es nützt nichts, bei dem einen zu protestieren und das andere weiterhin zu wollen, weil gewisse Dinge untrennbar zusammengehören. Auch Wasser gibt es nicht, ohne daß es naß ist. Wer wirklich Sozialität will, die auch eine ist, der kann es nur durch gleichzeitigen Verzicht auf das, was Sozialität verhindert.

  • Kinderarmut scheint gewollt zu sein z.B.:Anfang 2005 hat die Bundesregierung die Regelsätze für 1,4 Millionen Kinder zwischen 7 und 17 Jahren gesenkt, die von Hartz IV leben. Der Bedarf von 13-Jährigen und darunter wurde mit dem von Säuglingen gleichgesetzt, der von heranwachsenden Jugendlichen mit dem von erwachsenen Haushaltsangehörigen.

    Die Senkung bedeutet: Der entwicklungsbedingte Wachstumsbedarf von Kindern wird nicht mehr anerkannt. Zweck der Kürzung bei Kindern war, den Druck auf die Eltern zu erhöhen, Arbeit für Armutslöhne anzunehmen. Die empörende Tatsache, dass Kindern Mittel für Essen und Trinken entzogen werden, um Lohnsenkungen zu ermöglichen, hat bis jetzt kaum Aufmerksamkeit gefunden. Mitte 2007, als über eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder diskutiert wurde, hat sich eine gewisse Öffentlichkeit nicht entblödet, dagegen zu polemisieren, weil diese Beträge nur in den Taschen der Eltern landen würden. Und so dreht sich die Spirale unaufhaltsam nach unten. Je mehr Menschen nur noch Dumpinglöhne verdienen, desto mehr Kinder müssen arm bleiben. Man kann es auch so sagen: Die Kinderarmut ist staatlich gewollt.

    • @patty:

      Richtig ! Im Vordergrund steht das Dienbarmachen der Ärmsten zum Zweck der globalen Wettbewerbsfähigkeit und damit Erhalt der Kapitaleinkünfte; Ohne Rücksicht auf Verluste- Ein Prozess der Angleichung an den Durchschnitt weltweiter sozialer Standards.

  • Eine Erhöhung der Regelsätze in Städten mit geringem Einkommen, wie Berlin, wäre kontraproduktiv und würde die Abhängigkeit von Sozialleistungen nur noch verstärken.

     

    Statt mehr Geld könnten staatliche Arbeitsangebote den sozial Schwachen besser helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Wer jeden Tag arbeitet, statt faul zuhause herum zu sitzen, hat etwas, worauf er stolz sein kann und findet leichter wieder einen richtigen Job, statt damit anzufangen, zu saufen und zu kiffen.

     

    Gleiches gilt für die Kinder. Ganztagsschulen, in denen die Schüler Schuluniformen tragen müssen und teure Markenkleidung keine Rolle spielt, integrieren gerade Kindern aus armen Familien und geben ihnen eine wirkliche Zukunftsperspektive.