: Spanische Justiz hoffte auf Flucht
Der auf Mallorca festgenommene politische Flüchtling Binali Yildirim aus Hamburg ist wieder frei. Der Kurde sollte an die Türkei ausgeliefert werden. Acht Monate musste er im Gefängnis ausharren, bevor er Haftverschonung erhielt
Der in Spanien von Auslieferung bedrohte Kurde Binali Yildirim ist nach Deutschland geflüchtet. Das hat sein Hamburger Anwalt Björn Stehn bestätigt. Die spanische Justiz hatte eine Überstellung Yildirims an die Türkei erwogen, obwohl der 35-Jährige in Hamburg als politischer Flüchtling anerkannt ist.
Binali Yildirim war am 28. Mai vergangenen Jahres im Ferien-Hotel „Kontiki Playa“ auf Mallorca verhaftet worden. Dorthin war er mit seinem Fußballclub „Dersimspor“ aus dem Stadtteil Wilstorf gereist, um die soeben gewonnene Kreisklassenmeisterschaft zu feiern. Was Yildirim nicht wusste: Trotz seines Status als anerkannter politischer Flüchtling lag gegen ihn ein Internationaler Haftbefehl von Interpol Ankara vor.
Dem Kurden wird vorgeworfen, Anfang der 90er Jahre als Mitglied der kommunistischen TIKKO-Guerilla an mehreren Anschlägen auf das türkische Militär beteiligt gewesen zu sein. 1996 war er verhaftet und von einem Militär-Schnellgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zuvor war unter Folter ein Geständnis erpresst worden. Die Aussagen von Angehörigen und Dokumente belegen das.
Als Yildirim 2002 in eines der berüchtigten Isolationsgefängnisse vom „F-Typ“ verlegt wurde, beteiligte er sich an einem Hungerstreik von 500 politischen Gefangenen. Nach 78 Tagen Fasten war er dem Tode nahe. Der Haftbefehl wurde ausgesetzt und Yildirim in eine Reha-Klinik verlegt. Von dort aus gelang ihm die Flucht zu seinen in Hamburg lebenden Brüdern. Wegen der Verfolgung durch die türkische Regierung gewährte ihm Deutschland politisches Asyl.
Trotz der Europäischen Union schützt der deutsche Asylstatus im Ausland nicht vor der Verfolgung durch die Türkei, was viele politische Flüchtlinge nicht wissen. Die spanischen Behörden vollstreckten bei Ferienbeginn auf Mallorca unverzüglich den Haftbefehl.
Während sich sein Gesundheitszustand in der Auslieferungshaft verschlechterte, schmorte Yildirim trotz der Bemühungen des Auswärtigen Amtes mehr als acht Monate im Madrider Gefängnis Valdemoro. Erst am 13. Februar ist er aufgrund eines ärztlichen Gutachtens aus dem November 2007 von der Haft verschont worden. Es attestierte dem 35-Jährigen wegen der Folterfolgen aus der Türkei die Haftunfähigkeit. Zuvor waren Angehörige unter Begleitung des Hamburger Bundestagsabgeordneten und Außenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Norman Paech, in der spanischen Botschaft in Berlin vorstellig geworden.
Das Gerichte machte ihm bei der Freilassung die Auflage, sich bis zur Gerichtsentscheidung einmal die Woche bei der spanischen Polizei zu melden. Jedoch händigte ihm das Gericht gleichzeitig seinen deutschen Pass und Führerschein aus. Yildirim verstand den Wink – „hau bloß ab, dann sind wir das Problem los “ – und reiste nach Deutschland. Eine Auslieferung wäre wohl einem Todesurteil gleichgekommen. KAI VON APPEN
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