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Kein Dank für den Sanierer

Abgaben rauf, Ausgaben runter: Mit einem schuldenfreien Haushalt hat noch keine Regierung Wahlen gewonnen. Das Steuerkonzept der CSU bleibt dennoch ein Dokument der Hilflosigkeit

VON RALPH BOLLMANN

Noch bleibt die Kanzlerin wacker bei ihrer Linie. „Alle Kabinettsmitglieder wissen genau, was sie gemeinsam im Kabinett verabredet haben, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel“, ließ sie gestern vom stellvertretenden Regierungssprecher erklären. Es bleibe bei dem Ziel, im Jahr 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen, allen CSU-Forderungen nach Steuersenkungen schon 2009 zum Trotz.

Das ist ehrenwert – und trotzdem erstaunlich, weil bislang noch keine Regierung mit einem ausgeglichenen Haushalt Wahlen gewonnen hat. Steuern rauf, Ausgaben runter: Das ist eine Mixtur, die beim Wahlvolk auf wenig Gegenliebe stößt. Im Vergleich zu den konkreten Lasten zählt die abstrakte Null wenig. Der Erfolg eines Finanzministers verhält sich meist umgekehrt proportional zum Erfolg seiner Regierung.

Und das, obwohl am Horizont stets das Gespenst der völligen Überschuldung droht, die oft genug Revolutionen ausgelöst hat. So musste der französische König Ludwig XVI. wegen seiner finanziellen Nöte die seit fast zwei Jahrhunderten nicht mehr tagenden Generalstände einberufen, der Ausbruch der Revolution war die Folge. Auch die DDR ging an ihrer ökonomischen Überforderung zugrunde.

Doch ist der Zusammenbruch, den die Sanierer verhindern, naturgemäß nicht mit Händen zu greifen. Die Opfer, die sie fordern, dagegen sehr wohl. Dass die Clinton-Regierung in ihren letzten vier Amtsjahren stets Haushaltsüberschüsse produzierte, nutzte dem demokratischen Kandidaten Al Gore bei der folgenden Präsidentschaftswahl nichts.

Geradezu klassisch ist das Beispiel des italienischen Ministerpräsidenten Marco Minghetti, der nach dreijähriger Amtszeit im Jahr 1876 den ersten ausgeglichenen Staatshaushalt in der 15-jährigen Geschichte des jungen Nationalstaats vorlegte. Populär war die Sanierungspolitik allerdings nicht. Dazu hatte schon die unter Minghettis Vorgängern eingeführte Mahlsteuer beigetragen, die vor allem Grundnahrungsmittel verteuerte und die enormen Lasten der staatlichen Vereinigung den unteren Einkommensgruppen aufbürdete.

Die unsoziale Abgabe wurde nach dem Regierungswechsel 1876 nicht abgeschafft. Dennoch schaffte Minghettis „historische Rechte“, die Italien seit der Vereinigung von 1861 regiert hatte, nicht mehr die Rückkehr an die Macht – die fortan die „historische Linke“ in Händen hielt. Dass für Minghetti nach dessen Tod Denkmäler in Rom und seiner Heimatstadt Bologna aufgestellt wurden, konnte für den aus dem Amt gejagten Staatsmann kein Trost mehr sein.

Hat der CSU-Vorsitzende Erwin Huber mit der Forderung nach Steuersenkungen also den richtigen Instinkt bewiesen? Wohl nicht. Das liegt keineswegs an den Vorschlägen selbst, die von fast allen Experten begrüßt werden. Selbst Politiker von CDU und SPD geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass der Gesetzgeber schleunigst etwas gegen den „Mittelstandsbauch“ unternehmen müsse, der untere Einkommen überproportional belastet.

Huber hat aber dasselbe Problem wie zu Jahresbeginn der hessische Ministerpräsident Roland Koch, als er eine Kampagne gegen „kriminelle Ausländer“ entfesselte. Auch das Kriminalitätsthema mochte bei jenem Teil der Wähler, den Koch damit mobilisieren wollte, durchaus populär gewesen sein. Allein: Man fragte sich, warum der seit neun Jahren regierende Koch das Thema erst jetzt entdeckte. Genau wie die CSU die deutsche Steuergesetzgebung in Bundestag und Bundesrat bislang stets mitgetragen hatte.

So wird Huber die überwältigende Zustimmung, die sein Steuerkonzept in Umfragen erfährt, bei der Landtagswahl im Herbst nicht viel nützen. Viel eher werden die Wähler das überstürzte Manöver als eine Bestätigung dessen sehen, was sie seit Monaten schon ahnten: Dass der bayerischen Staatspartei das Wasser tatsächlich bis zum Hals steht, dass sie ähnlich wie Koch um ihre Wiederwahl bangen muss. Den Nimbus des Unbesiegbaren, von dem die CSU bislang profitierte, hat der Parteivorsitzende damit nicht wiederhergestellt, sondern weiter demontiert.

Bei Wahlen kommt es ohnehin weniger auf luftige Versprechungen für die Zukunft an als auf die Erfahrungen der Gegenwart, aus denen die Wähler ihre eigenen Schlüsse in Bezug auf das Erwartbare ziehen.

Bei einer großen Koalition ist das allerdings schwierig. Anders als im Falle des Italieners Marco Minghetti steht keine „historische Linke“ bereit, die eine „historische Rechte“ nach dem Gelingen der Haushaltskonsolidierung ablösen könnte.

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