: Der Klimakiller beklagt sich
Vattenfall geht gerichtlich gegen ökologische Auflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg vor. Sämtliche Bestimmungen zum Schutz der Elbe sollen gekippt werden. Sie seien unzulässig und würden den wirtschaftlichen Betrieb des Meilers behindern
12. 7. 2004: Vattenfall kündigt den Bau eines Kohlekraftwerks mit 700 Megawatt Leistung an 13. 9. 2006: Auf Bitten des CDU-Senats weitet Vattenfall seine Pläne auf 1.640 MW aus 27. 10. 2006: Der Konzern stellt den Bauantrag 14. 11. 2007: Der CDU-Senat erteilt die Genehmigung zum vorzeitigen Baubeginn 10. 3. 2008: Die Umweltbehörde verlängert die Genehmigungsfrist bis zum 10. Juni, dann erneut bis zum 30. September 14. 4. 2008: Vattenfall reicht Untätigkeitsklage gegen die Stadt ein 27. 4. 2008: Hamburgs GAL segnet den schwarz-grünen Koalitionsvertrag ab, in dem beim Thema Moorburg nur ein rechtlich einwandfreies Genehmigungsverfahren vereinbart ist 30. 9. 2008: Umweltsenatorin Hajduk (GAL) genehmigt das Kohlekraftwerk unter Auflagen 9. 10. 2008: Ein Sonderparteitag der GAL beschließt mit über 90-prozentiger Zustimmung, die Koalition wegen Moorburg nicht zu verlassen TAZ
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die angekündigte Klage ist eingereicht worden. Der Energiekonzern Vattenfall hat am Donnerstag vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) mit einem umfangreichen Schriftsatz die Genehmigung zum Bau des Steinkohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg angefochten. Sämtliche wasserrechtlichen Auflagen, welche die Hamburger Umweltbehörde erlassen hat, sollen gekippt werden. Diese würden sonst „einen effektiven und sinnvollen Betrieb der Anlage wesentlich behindern“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Am 30. September (siehe Kasten) hatte die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk Vattenfall eine mit harten ökologischen Auflagen versehene Genehmigung erteilt. Sie halte Kohlekraftwerke „klimapolitisch nicht für den richtigen Weg“, hatte sie betont, leider aber könne sie Vattenfall den Bau nicht versagen, „weil nach geltendem Recht allgemeine Erwägungen des Klimaschutzes keine Rolle spielen“.
Insbesondere die wasserrechtliche Erlaubnis war teilweise verweigert worden. So wollte Vattenfall der Elbe 64,4 Kubikmeter Kühlwasser pro Sekunde entnehmen, etwa das Achtfache der gesamten aktuellen industriellen Nutzung in Hamburg. Kühlwasser sei aber eine „begrenzte Ressource“, so Hajduk, im Zweifel müsse das Kraftwerk seine Leistung weiter herunterfahren.
Es handele sich um „außergewöhnlich restriktive Bestimmungen, die rechtlich unzulässig sind“, erklärt nun Vattenfall nach einmonatiger intensiver Prüfung des 746 Seiten starken Genehmigungsbescheides. Wenn das Kraftwerk den größeren Teil des Jahres seine Leistung erheblich drosseln müsse, könne Hamburg „nicht wie geplant mit Energie und Fernwärme versorgt“ werden. Auch die bei voller Leistung mögliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes des deutschen Kraftwerkparks um 2,3 Millionen Tonnen pro Jahr durch die Ablösung älterer, weniger effektiver Kraftwerke wäre so nicht zu erreichen.
Bereits seit einem Jahr wird auf dem Gelände an der Süderelbe gebaut. Als eines der größten Steinkohlekraftwerke Deutschlands soll Moorburg 1.654 Megawatt (MW) elektrische Leistung und 650 MW Fernwärme erzeugen. Die Investitionskosten liegen bei mehr als zwei Milliarden Euro, in Betrieb gehen soll der Kohlemeiler im Jahr 2012. Wegen des CO2-Ausstoßes von rund acht Millionen Tonnen pro Jahr hatten Hamburgs Grüne den Meiler im Bürgerschaftswahlkampf als „Klimakiller“ bekämpft und angekündigt, dessen Errichtung verhindern zu wollen.
Dennoch hatte die seit Mai amtierende Hajduk nach erneuten Überprüfungen der Antragsunterlagen Moorburg im Grundsatz genehmigen müssen. Allerdings darf das Kraftwerk zum Schutz der Elbe „voraussichtlich im Durchschnitt an 250 Tagen im Jahr nur mit gedrosselter Leistung betrieben werden“, verkündete Hajduk. Damit würde Moorburg nur mit rund zwei Dritteln der beantragten Leistung laufen. Bei hoher Gewässertemperatur und Sauerstoffknappheit im Sommer müssten möglicherweise beide Blöcke ganz heruntergefahren werden.
Die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erteilte Genehmigung will der Konzern hingegen im Wesentlichen akzeptieren, darunter auch die verschärften Grenzwerte für Stickoxide und Schwefeldioxid. Allerdings bedürfe es „an zahlreichen Stellen der Klarstellung unzutreffender oder ungenauer Formulierungen“, so die süffisante Rüge der Behördenjuristen. Außerdem lasse sich die Auflage, die Kraftwerksfassaden teilweise in Backstein zu gestalten, „aus statisch-technischen Gründen so nicht verwirklichen“. Vattenfall sei aber zu einer Verständigung „über eine ansprechende Gestaltung“ bereit.
Er blicke der Klage „gelassen entgegen“, verkündete Umweltstaatsrat Christian Maaß (GAL). Für die grobe Antwort ist Jenny Weggen zuständig, die Umweltpolitikerin der GAL-Fraktion: „Die Klage zeigt, dass Vattenfall kein Interesse an Umwelt- und Klimaschutz hat“, glaubt Weggen. So sehen das auch die Hamburger Umweltverbände. Der Versuch, die ökologisch notwendigen Auflagen aufzuweichen sei „in hohem Maße unethisch“, sagt der Nabu-Vorsitzende Rolf Bonkwald. Und BUND-Chef Manfred Braasch sieht in der Klage den Beweis, „dass ein wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerks mit dem Schutz der Elbe und einer modernen Klimapolitik nicht vereinbar ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen