piwik no script img

Die deutschen Fleischer mauern

„Aussitzen“ lautet das Motto der Lebensmittelindustrie in Krisenzeiten. Eine Umfrage der Verbraucherinitiative zeigt: Die BSE-Schludereien und Berichte über illegal Beschäftigte in Schlachtereien ändern daran nichts. Hersteller verweigern Information

AUS BERLIN MICHAEL SITTIG

„Ökologisch denken. Verantwortungsbewusst handeln. Wir pflegen eine offene Kommunikation“, heißt es auf der Homepage des Fleischherstellers Wiesenhof. Der Bundesverband Verbraucher Initiative (VI) behauptete gestern das Gegenteil – und stützte sich dabei auf eine aktuelle Umfrage. Im Herbst 2003 hatten die Verbraucherschützer 200 marktbedeutende Fleischwarenhersteller Deutschlands nach den sozialen und ökologischen Bedingungen ihrer Produktion befragt. Doch gaben nur 18 Firmen Auskunft.

Die große Mehrheit der Fleischindustrie – 182 Unternehmen – antwortete erst gar nicht. Die Unternehmen sollten zum Beispiel Stellung beziehen zu den Fragen: „In welchen Bereichen übertreffen Sie die gesetzlichen Mindestanforderungen beim Tierschutz?“ Und zu den Arbeitsbedingungen im Betrieb wollten die Verbraucherschützer etwa wissen, ob es einen Betriebsrat gibt.

Jeder Deutsche isst rund 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Wie Steak und Salami hergestellt werden, darüber erfährt er kaum etwas. „Die Deutschen Fleischhersteller verweigern Verbraucherinformationen“, empört sich Volkmar Lübke, Vorstandsmitglied der VI, auf der gestrigen Präsentation des Umfrageergebnisses. Noch mehr aber ärgerte ihn, dass selbst die Unternehmen, die geantwortet haben, „wohl nicht immer die Wahrheit gesagt haben“. Über die Betriebsräte der 18 antwortbereiten Unternehmen hatte die VI überprüft, ob die Firmenauskünfte auch stimmen. Dabei stellte sich heraus, dass bei nur zwei Firmen die Angaben des Betriebsrates mit den offiziell mitgeteilten Infos übereinstimmten. Für Siegfried Leittretter, der die Untersuchung von Seiten der Hans-Böckler-Stiftung begleitete, heißt das: „Verbraucher können sich auf die Angaben der Hersteller nicht verlassen.“ Deshalb forderte VI-Vorstand Lübke: „In ein Verbraucherinformationsgesetz gehört unbedingt ein Rechtsanspruch des Verbrauchers auf Informationen über das Unternehmen.“ Doch das, so hieß es gestern von Seiten des grünen Bundesverbraucherministeriums, wird es so schnell nicht geben.

Zu den Auskunftsverweigerern gehören solche Branchengrößen wie Wiesenhof, Herta oder Meica. Eine Anfrage der taz bei der Firma Meica, die unter anderem Deutschländer Würstchen herstellt, bestätigte die Geheimniskrämerei: Man beantworte grundsätzlich keine Anfragen zu den Produkten seitens der Presse oder Verbraucherorganisationen, hieß es von Firmenseite. Dem Sprecher von Wiesenhof war es gestern unklar, warum die Firmenführung nicht teilgenommen hat. Wiesenhof kann für sein Geflügel immerhin das wenn auch umstrittene Qualitätssiegel QS nachweisen.

Über die Angaben der 18 Firmen, die Angaben zu den sozial-ökonomischen Herstellungsbedingungen gemacht haben, mochte die Verbraucher Initiative nicht viel sagen. Wegen der geringen Zahl könne dann der Datenschutz nicht gewährt werden. Eine Liste der Verweigerer steht auf www.verbraucher.org.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen