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Grüne rechnet ab

Ex-Ratsfrau Petra May im Kölner Müllprozess: „Mir war sofort klar, dass es bei der AVG Unregelmäßigkeiten gab“

KÖLN taz ■ Petra May ist der Frust anzumerken. Von 1994 bis 1999 saß die grüne Ex-Ratsfrau für ihre Partei im Aufsichtsrat der mehrheitlich städtischen Kölner Müllofenbetreiberfrima AVG. Als Zeugin im Müllprozess kann sie an diesem Tag endlich mit der aus ihrer Sicht dubiosen Geschäftspolitik des Unternehmens und der Stadt abrechnen.

Ohne dass Richter Martin Baur auch nur die leiseste Chance für eine Zwischenfrage bekommt, redet sie 40 Minuten am Stück. Dann bittet sie um einen Schluck Wasser. Baur nutzt seine Chance: zehn Minuten Pause. Nicht nur ihm schwirrt der Kopf. „Ich habe ja auch viel zu erzählen“, rechtfertigt sich May.

Bereits als sie in den Aufsichtsrat gekommen sei, „war mir klar, dass es Unregelmäßigkeiten gab“, wettert die Lehrerin. Bei der Gründung der AVG sei mangels Ausschreibung gegen europäisches Recht verstoßen worden – ein Umstand, der in der Tat zu einem Verfahren vor der EU-Kommission geführt hat (taz berichtete). Außerdem, so May, sei die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erfolgt. Im übrigen habe die Geschäftsführung mit angeblichen Schadenersatzforderungen argumentiert, die im Fall des Verzichts auf die Anlage entstünden. Diese seien aber nie schriftlich nachgewiesen worden.

Überhaupt seien die Mitglieder des Aufsichtsrats zu wenig informiert worden – und hätten auch nicht informiert sein wollen. „Die saßen alle da wie die Ölgötzen, sagten kaum was.“ So hätte es auch nur an ihr gelegen, dass die Sitzungen in der Regel ein bis zwei Stunden dauerten. Einmal habe sie darauf verzichtet, nachzuhaken: „Da war die Sitzung nach 12 Minuten vorbei.“

„Ich hatte immer das Gefühl, dass ich alleine da sitze. Alle anderen waren gegen mich“, beschwert sie sich. Rechtsverstöße und Überkapazitäten habe sie immer wieder zur Sprache gebracht. Das habe aber niemand hören wollen. AVG-Geschäftsführer Ulrich Eisermann und die anderen des Schmiergeldkartells „konnten das nur so machen, weil man sie ließ“. Ihr persönliches Fazit: „Ein einzelnes kritisches Aufsichtsratsmitglied hat in Gesellschaften der Stadt eine sehr schwache Stellung.“

Nach Mays Aussagen zieht der Anwalt von Ex-Müllofen-Chef Ulrich Eisermann in einer mündlichen Erklärung deren Glaubwürdigkeit in Zweifel. Diese seien „eine polemische Abrechnung eines frustrierten ehemaligen Aufsichtsratsmitglieds, das von seiner eigenen Partei nicht mehr aufgestellt wurde“. Wo die Zeugin May konkrete Aussagen gemacht habe, seien sie „sämtlich falsch“. Deshalb solle der Richter den Angaben im weiteren Verlauf des Strafprozesses keine weitere Beachtung schenken. Pascal Beucker/Frank Überall

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