piwik no script img

Das Wunschdenken der Briten

Der angebliche Aufstand in Basra scheint eine englische Finte zu sein – gesehen hat die Erhebung des irakischen Volkes jedenfalls bisher niemand

aus Amman KARIM EL-GAWHARY

Was genau in der drittgrößten irakischen Stadt Basra vor sich geht, bleibt weiterhin rätselhaft. Westliche Medien hatten, bezugnehmend auf britische Geheimdienstinformationen, von dem Beginn eines Aufstandes in der Stadt gesprochen. Der britische Verteidigungsminister Geoff Honn erklärte später dazu, dass es Unruhen in der Stadt gegeben habe und dass regimetreue Milizen mit Granatwerfen und Maschinengewehren auf Aufständische geschossen hätten. Allerdings gab er zu, seien die britischen Truppen, die außerhalb der Stadt stationiert seien, nicht direkt Zeugen des Aufstandes gewesen, vielmehr habe man die Informationen aus „verschiedenen anderen Quellen“.

Die Version des britischen Miliärsprechers in Katar, Ronnie McCourt, lautet dagegen anders. Danach sollen britische Soldaten einen Granatwerfer ausgeschaltet haben, der aus ihrer Sicht auf die Bewohner geschossen habe. Ein Sprecher des „Obersten Rates der Islamischen Revolution“, einer irakisch-schiitischen Oppositionsgruppe, die im benachbarten Iran ihr Hauptquartier aufgeschlagen hat und die vermeintlich über viele Anhänger in Basra verfügt, erklärte, dass es tatsächlich Unruhen gegeben habe, die aber nur begrenzt gewesen seien und ein einziges Arbeiterviertel in Basra betroffen hätten. Von einem Aufstand würde er allerdings nicht sprechen, erklärte der Sprecher Abu Islam. Ein anderes Mitglied der Organisation, das seinen Namen nicht genannt haben will, erklärte, einige Leute hätten Slogans gegen Saddam Hussein gerufen, aber es sei nicht klar, ob dies vom Mangel an Trinkwasser und Elektrizität provoziert worden sei.

Die Korrespondenten der arabischen Fernsehstationen al-Dschasira und Abu Dhabi TV, die sich direkt in Basra befinden, berichteten dagegen bereits in den Abendstunden am Dienstag und auch am Mittwoch, dass die Stadt völlig ruhig sei und es keinerlei Anzeichen eines Aufstands gegeben habe. Es sei lediglich Attilleriefeuer von Kämpfen außerhalb der Stadt zu hören. Die Korrespondenten bestätigten allerdings, dass das Hauptquartier der im Irak regierenden Baath-Partei in der Stadt bombardiert und völlig zerstört worden sei.

Offensichtlich sind die vorrückenden amerikanischen und britischen Truppen überrrascht über den Widerstand, der ihnen im Süden selbst von regulären irakischen Truppen entgegenschlägt. „Sie haben den irakischen Patriotismus total unterschätzt“, glaubt der jordanische politische Kommentator Müin Rabbani. „Die Frage lautet, ob die Iraker den Krieg als einen Krieg gegen Saddam Hussein oder eine ausländische Invasion ansehen. Alles deutet darauf hin, dass Letzteres der Fall ist“, sagt Rabbani. Das Konzept vom Feind meines Feindes, der mein Freund ist, so Rabbani, sei bisher offensichtlich nicht aufgegangen. Ein schiitischer Aufstand im Süden des Irak wäre ein Mittel, um den Widerstand der irakischen Armee gegen die vorrückenden amerikanischen und britischen Truppen psychologisch zu treffen. Basra selbst hat einen hohen symbolischen Wert für die gesamte irakische Bevölkerung, da die Stadt trotz wiederholter Angriffe im achtjährigen Iran-Irak-Krieg nie eingenommen worden ist. Zumindest in den arabischen Medien ist inzwischen im Zusammenhang der Berichte über den Aufstand in Basra vom „falschen britischen Alarm“ und vom „britischen Wunschdenken“ die Rede. Rabbani vermutet, dass die britische Armee möglicherweise falsche Meldungen über einen Aufstand in Basra verbreite, bevor sie die Stadt erobert, damit hinterher nicht mehr klar ist, ob die britische Armee oder Saddam Husseins Gefolgsleute für die toten Zivilisten in der Stadt verantwortlich sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen