: „Bush ist voll der Gammler“
Quote ohne Tote: So richtig Kinderfragen über den Krieg sind, so heikel sind die Antworten. Im Bildersturm dieser Tage bewährt sich vor allem der Kinderkanal mit ausgeruhter Ausgewogenheit
von ANJA MAIER
Keine zwei Wochen ist der Irakkrieg alt, und das Fernsehen beginnt sich zu fragen, was dieser Konflikt mit den Kindern der Mediengeneration macht. Es mag sein, dass der Nachwuchs hie und da schreckstarr vor dem Fernseher sitzt – die Regel ist es nicht. Achtjährige wissen, dass es um Öl geht, das „der mit dem Bart“ hat, und das „der andere, Bush“, haben will. Sie wissen, dass der mit dem Schnauzbart Massenvernichtungswaffen hat, aber nicht, was das ist. Sie gehen davon aus, dass ihre Eltern den Krieg nicht gutheißen. Und wenn sie Glück haben, besuchen sie eine Schule, deren Kollegium kollektive Friedensdemonstrationen und Schweigeminuten auf dem Schulhof nicht gutheißt.
Dass in Bagdad Kinder nachts in Kellern auf das Ende des Bombardements warten, wissen sie auch, können es aber Gott sei Dank nicht nachfühlen. Verdienste um das Grundwissen von Krieg und Frieden erwirbt sich dieser Tage der Kinderkanal. Wochentäglich um 17.50 Uhr erklärt „Logo“, die Nachrichtensendung für Kinder, die Welt, und zwar ausgesprochen anschaulich. Der mit dem Bart etwa wird wie folgt beschrieben: „Saddam Hussein ist kein normaler Staatschef, sondern ein Diktator. Das heißt, dass er alle wichtigen Entscheidungen im Irak ganz alleine trifft. Nur Menschen, die mit ihm einer Meinung sind, dürfen ein bisschen mitbestimmen.“ Das ist so gut erklärt, dass es auch von den 88 Prozent, die bekanntlich die „Tagesschau“ nicht verstehen, rezipiert werden sollte.
Irak im Internet
„Logo“ schafft es, ohne Bilder von Toten und Verletzten Quote zu machen. Denn dass Kinder nicht alles sehen müssen, was Erwachsene sich gegenseitig antun, gilt als ausgemacht. Psychologen empfehlen, den Kindern nicht auszuweichen und ehrlich zu antworten etwa auf die Frage, ob in diesem Krieg Menschen, Kinder sterben. Der Dialog mit dem Nachwuchs sollte aber nicht in einen Vortrag der Erwachsenen umschlagen. Es ist pädagogisch sinnlos, aus achtjährigen Barbiepuppen-Spielerinnen kleine Friedensaktivistinnen machen zu wollen.
Der Kinderkanal (KiKa) hat auf seinen Internetseiten ein Irak-Lexikon angelegt (www.kika.de/_inhalte/tv/sendungen/l/logo/index_irak.shtml). Fragen wie „Warum ist Saddam so gefährlich?“, „Was passiert mit den Kriegsgefangenen?“ und „Dürfen die USA den Irak angreifen?“ werden hier sehr umfassend und anschaulich beantwortet. Und es gibt ein Forum. „Bush ist voll der Gammler“ schreibt da Julia flapsig. Oder Betty: „Ich meine, dass George W. Bush nur der Welt beweisen will, dass er auch mal gewinnen kann. Das ist aber Schwachsinn, er hätte nein zum Krieg sagen können. Das wäre stark gewesen.“ Und Sophie weiß es ganz genau: „Es gibt nur Krieg wegen des Öls. Warum will Amerika gerade Öl vom Irak? Andere Länder würden ihnen auch was verkaufen. Einfach dumm, deshalb Krieg zu machen.“
Die ZDF-KiKa-Koproduktion „Warum dieser Krieg?“, die am Sonntagabend um 18.00 Uhr ausgestrahlt wurde, widmete sich ebenfalls dem aktuellen Konflikt. Ins Studio waren Kinder geladen, um ins Gespräch zu kommen mit Journalisten, Korrespondenten und Pädagogen. In der Live-Schalte zu Ulrich Tilgner sah man den Bagdad-Korrespondenten das erste Mal seit Wochen – wenn auch resigniert – lächeln, als ihn die 10-jährige Sophie fragte, ob es in diesem Krieg so etwas wie Wahrheit gibt.
Wo der Unterschied zwischen kindlicher und jugendlicher Wahrnehmung liegt, war in dieser Sendung gut auszumachen. Während etwa jeder dritte Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren politisiert ist und auf Demos geht, bilden sich die Jüngeren ihre Meinung vor allem über Wahrnehmung – der Elterngespräche, der Schule und natürlich des Fernsehens. So bauten die 15-jährigen Studiogäste Sätze, die jedem SPD-Papier zur Ehre gereichten, und die 10-jährigen fragten im Grunde ab, wie Krieg sich anfühlt. Als ZDF-Terrorismusexperte Elmar Theveßen vor minderjährigem Publikum ansetzte, über die wachsende Gefahr von Anschlägen zu referieren, wurde er vom gnädigen KiKa-Moderator unterbrochen: „Wir müssen doch hier in Deutschland keine Angst haben, oder?“ Aber Theveßen blieb hart: „Das kann immer passieren.“ Ein gutes Beispiel für die von Psychologen eingeforderte Ehrlichkeit gegenüber Kindern. Aber ob der Mann vom KiKa noch einmal als Experte geladen wird?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen