: Kreuzzug gegen Coke
Kardinal Sterzinsky befürwortet Boykott gegen amerikanische und britische Waren – und steht damit allein da
von UWE RADA
Nicht im Namen Gottes. Mit dieser Überzeugung bekundete Berlins Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky gestern seine Sympathie für den Boykott amerikanischer und britischer Waren.
In einem SFB-Interview sagte Sterzinsky, er glaube zwar nicht, dass derartige Aktionen „die Mächtigen in den USA und Großbritannien“ erschüttern werden. Als Zeichen finde er es jedoch gut. Gleichzeitig sprach Sterzinsky dem US-Präsidenten George W. Bush das Recht ab, sich bei seinen Kriegsplänen auf Gott zu berufen. Wenn Bush sage: „Gott will es so“, entgegne er: „Ich glaube ihm nicht.“
Mit diesem Glauben scheint Berlins oberster Katholik allerdings ziemlich allein dazustehen. „Das ist die persönliche Meinung von Herrn Sterzinsky. Sie entspricht nicht der der Deutschen Bischofskonferenz“, sagte deren Sprecherin Martina Höhns der taz.
Ähnlich äußerte sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock. Eine Sprecherin betonte, Kock habe immer wieder klar gemacht, dass die Kritik am Kriegskurs nichts mit Antiamerikanismus zu tun habe.
Auch die Politik reagierte ablehnend auf Sterzinskys Boykottaufruf. „Kein Kommentar“, sagte Senatssprecher Michael Donnermeyer und verwies darauf, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bereits in der vergangenen Woche Boykottaufrufe gegen amerikanische Produkte als „ungeeignet“ abgelehnt hatte.
Wowereit weiß sich da auch einig mit dem PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf. „Der Boykottaufruf ist nicht sehr hilfreich“, sagte Wolfs Sprecher Christoph Lang. Der PDS-Landeschef und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich meinte, ein solches Anliegen sei zwar eine löbliche Idee, „aber es dürfte sehr schwer sein, die zu treffen, die man treffen möchte“. Liebich hielt es demnach „für zweckmäßiger, auf traditionelle Formen des Protests zurückzugreifen“.
Inwieweit Sterzinsky aller Kritik zum Trotz mit seinem Aufruf die Zustimmung der Berliner findet, ist bislang schwer zu sagen. Eine repräsentative Umfrage hat es noch nicht gegeben. Bislang haben auch nur einige Restaurants wie etwa die Osteria No 1 in Kreuzberg öffentlich erklärt, Produkte wie Coca-Cola von der Getränkekarte streichen zu wollen. Auch in anderen Städten kann von einer Boykottbewegung kaum gesprochen werden. In Hamburg schenken etwa zehn Restaurants keine Cola und keinen amerikanischen Whiskey mehr aus, in Frankfurt am Main sind es die Jusos, die Flugblätter vor „ausgeprägten Repräsentanten der US-Kultur“ verteilen. Umbenennungen wie in den USA, wo die French Fries nunmehr „Freedom Fries“ heißen, hat es hierzulande noch nicht gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen