: Neue Strategie von al-Qaida im Irak?
Laut einem Dokument will die sunnitische Terrororganisation das Land mit Anschlägen auf Schiiten destabilisieren
KAIRO taz ■ Al-Qaida plant angeblich, im Irak einen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu schüren. Das geht aus einem 17-seitigen Dokument hervor, dass das US-Militär der New York Times zugespielt hat. Das arabische Schreiben, das bei der Festnahme eines Al-Qaida-Mitglieds im Irak Mitte Januar gefunden worden sein soll, kündigt Anschläge gegen die Bevölkerungsmehrheit der Schiiten an, um so einen Bürgerkrieg zu provozieren. Dadurch sollten die Sunniten radikalisiert und in die Arme religiöser Extremisten getrieben werden.
„Der Krieg gegen die Schiiten wird bald beginnen – zur Stunde null, mindestens vier Monate bevor die Amerikaner im Juli die Souveränität des Landes an die Iraker übergeben werden“, heißt es in dem Schreiben, das von Abu Musab al-Zarqawi verfasst worden sein soll, einem Jordanier, der vom US-Geheimdienst als führendes Al-Qaida-Mitglied im Irak angesehen wird. Al-Qaida habe es bisher nicht geschafft, viele Iraker zur Mitarbeit zu bewegen, heißt es weiter. Außerdem sei es nicht gelungen, die US-Truppen so unter Druck zu setzten, dass sie das Land verlassen, beklagt das Memorandum. Deshalb der Strategiewechsel.
Nicht namentlich genannte US-Regierungsbeamte sollen von der Echtheit des Schreibens überzeugt sein. Von unabhängiger Seite gibt es dazu keine Bestätigung. Die Veröffentlichung drei Wochen nach dem mutmaßlichen Fund kommt in einer Zeit, in der die Regierung Bush zunehmend im eigenen Land wegen dem Irakkrieg unter Druck gerät und der Irak selbst Gefahr läuft, sich in einem Bürgerkrieg zu verstricken. Ein Fingerzeig auf al-Qaida käme da gelegen.
Für die Echtheit des Dokuments könnte sprechen, dass sich jüngst Anschläge auf schiitische Moscheen gehäuft haben. Erst vor fünf Tagen gab es Berichte von einem versuchten Attentat auf den obersten schiitischen Geistlichen des Landes, Ajatollah Sistani, die aber später dementiert worden sind.
Bekannt ist auch die feindliche Ideologie al-Qaidas gegenüber den Schiiten. Auf der al-Qaida-nahen Website al-Nida wird vor der heraufziehenden Bedrohung des sunnitischen Islam durch die Schiiten gewarnt. Im Irak hätte man erneut sehen können, wie sich verräterische schiitische Geistliche beeilt hätten, den „Kreuzfahrern“ die Tore zu öffnen und mit ihnen zu kooperieren. Zwar hätten schiitische Geistliche anfangs Fatwas gegen die Amerikaner veröffentlicht, diese seien aber nie auf dem Schlachtfeld umgesetzt worden.
KARIM EL-GAWHARY
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