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Klimaschutz mal wieder Chefsache

Industrie und Umweltministerium können sich beim Emissionshandel nicht einigen. Deshalb greift jetzt das Kanzleramt ein. Die deutsche Wirtschaft stößt wieder mehr Treibhausgase aus. Klimaschutzziel der Industrie in weiter Ferne

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Der Streit zwischen dem Umweltministerium und Teilen der deutschen Industrie um den Emisssionshandel wird im Kanzleramt entschieden. Nach dem Scheitern der Gespräche auf der Ebene der Fachministerien hat das Kanzleramt die Minister für Umwelt und Wirtschaft, Jürgen Trittin und Wolfgang Clement, für nächste Woche einbestellt.

Trittin erscheint zu dem Treffen mit schlechten Neuigkeiten: Die Emissionen der Industrie an Treibhausgasen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – trotz der wirtschaftlichen Schwächephase. Zu diesem Ergebnis kommt das Umweltministerium nach Prüfung der Angaben der rund 2.300 deutschen Anlagen, die künftig am Emissionshandel teilnehmen müssen. Zwischen 2000 und 2002 stieg der Ausstoß um sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid – ein Zuwachs von 1,2 Prozent.

Trotzdem ließ die Wirtschaft das für gestern Abend geplante Gespräch mit Wirtschafts- und Umweltministerium platzen. Sie will erst weiterverhandeln, wenn die Regierung ein abgestimmtes Ergebnis vorlegt. Vor zwei Wochen hatte der Wirtschafts-Staatssekretär Georg-Wilhelm Abramowitsch die Verhandlungen empört verlassen, weil Trittins Papiere mit ihm angeblich nicht abgestimmt waren. Trittin vermutet auf Seiten der Industrie einen anderen Grund: „Wer achtmal kam und beim neunten Mal fehlt, erweckt den Eindruck, er wolle sich unangenehmen Fragen entziehen.“ Schließlich habe die Industrie „entgegen ihren Zusagen ihren Kohlendioxidausstoß gesteigert“.

Der Industriedachverband BDI hat bislang stets argumentiert, der Emissionshandel solle erst ab 2008 mit verbindlichen Reduktionen starten. Schließlich sei die Industrie auf gutem Wege, ihre Selbstverpflichtung zu erfüllen. Die sechs Millionen Tonnen Anstieg „stellen eine Momentaufnahme dar“, verteidigt BDI-Hauptgeschäftsführer Carsten Kreklau gestern die Industrie. „Wer daraus voreilig die Klimavereinbarung in Frage stellt, argumentiert nicht seriös.“ Die Wirtschaft stehe zu ihrem Versprechen.

Die Industrie hatte zugesichert, von 1998 bis 2010 ihre Emissionen um 45 Millionen Tonnen auf 463 Millionen Tonnen zu senken. Bis 2002 (neuere Zahlen liegen nicht vor) hat sie davon nicht einmal ein Zehntel erbracht. Inzwischen hat die Industrie eigene Positionen klar formuliert. In einem Fünf-Punkte-Papier verlangt sie unter anderem den Verzicht auf Reduktionspflichten in den ersten drei Handelsjahren bis 2007. Außerdem soll die Klimafreundlichkeit eines neuen Kraftwerks nicht an den besonders klimaschonenden Gaskraftwerken gemessen werden, sondern an der besten Technik für den jeweiligen Brennstoff. Dann würde ein modernes Braunkohlekraftwerk behandelt wie ein Gaskraftwerk, obwohl es doppelt so viel Kohlendioxid ausstößt.

„Wenn wir machen würden, was die wollen, würden deren Emissionen auf 540 Millionen Tonnen hochgehen“, sagt der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske. Im Wirtschaftsministerium dagegen ist man der Industrie gegenüber aufgeschlossen. Inzwischen spricht Adamowitsch auch wieder mit seinem Umweltkollegen Rainer Baake.

Bis zum 3. März verlangen die Koalitionsfraktionen eine Einigung der Ministerien. Dann werden Clement, Trittin und Verkehrsminister Manfred Stolpe zum Gespräch erwartet. Man hofft auf eine gütliche Einigung. Es gebe keine „unüberbrückbaren Hindernisse“, heißt es aus der SPD-Fraktion. Auch die Grünen halten sich zurück. In der heutigen Koalitionsrunde wird der Emissionshandel kein Thema sein – mit Rücksicht auf den derzeit angeschlagenen Clement.

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