: Ex-AUB-Chef Schelsky muss ins Gefängnis
Durchwachsene Urteile im Prozess um Zahlungen von Siemens an die Arbeitnehmerorganisation AUB
NÜRNBERG taz ■ Wilhelm Schelsky drückt sein Gesicht auf die Holzbank, vergräbt es in den Händen, minutenlang. Als er aufblickt, ist es zu erkennen: Der früher so zupackende Arbeitnehmervertreter weint. Mit einem so harten Urteil hatte er nicht gerechnet. Das Landgericht Nürnberg verurteilte den langjährigen Chef der Pseudo-Gewerkschaft AUB am Montag zu vier Jahren und sechs Monaten Haft. Johannes Feldmayer, der Siemens-Manager, der 30 Millionen Euro aus der Firmenkasse an Schelsky geschleust hatte, bekam zwei Jahre auf Bewährung und eine hohen Geldstrafe von 228.800 Euro. Sein Anwalt kündigte nach der Verhandlung an, in Revision zu gehen.
„Es wird Stimmen geben, die solch ein Urteil gegen Leistungsträger unserer Wirtschaft als schädlich für den Standort Deutschland sehen“, sagte der Vorsitzende Richter Richard Caspar in der Begründung. „Aber es ist gerade das selbstherrliche Gebaren der Wirtschaftselite, das zu einem Werteverlust in unserer Gesellschaft führt.“
Schelsky habe mit Unterstützung der Siemens-Spitze die Arbeitnehmervertretung AUB ausgebaut, um den Einfluss der Unternehmensführung in Betriebs- und Aufsichtsrat zu stärken. Die Siemens-Chefs hätten sogar persönlich ihnen loyale Betriebsratskandidaten ausgewählt. „Ein Mitglied des Zentralvorstandes war immer beteiligt“, sagt Caspar. Vor allem die früheren Vorstandsmitglieder Herrmann Franz und Günther Wilhelm tauchten in den Ermittlungsdokumenten immer wieder auf.
Schelsky hatte 1990 mit dem großflächigen Ausbau der AUB begonnen, die Kosten seines Vereins trug Siemens. Anfangs flossen die Gelder verdeckt an Schelsky selbst, später an eine von ihm geführte Scheinfirma. Auf den Verträgen unterschrieb seine Frau mit ihrem Mädchennamen. Was mit den Geldern geschah, prüfte Siemens kaum, bis 2000 flossen 30 Millionen Mark an Schelsky. Als er 2000 einen neuen Vertrag mit Siemens benötigte, wandte sich Schelsky an den Bereichsvorstand Feldmayer und legte einen Rahmenvertrag vor, der ihm zwei Millionen Euro im Jahr garantierte. Feldmayer unterschrieb.
„Wir müssen davon ausgehen, dass er gedrängt wurde“, meint Richter Caspar. „Hätte er nicht unterschrieben, wäre seine Karriere bei Siemens wohl beendet gewesen.“ So wurde Feldmayer wenig später in den Siemens-Zentralvorstand berufen. Und Schelsky bekam mehr Geld als je zuvor. Zwischen 2000 und 2006 flossen insgesamt 30 Millionen Euro. Davon ging nur ein Teil in die AUB. Schelsky renovierte für eine Million eine Villa an der Ostsee, sponserte großzügig bayerische Handballmannschaften, allein 2006 mit 2,5 Millionen Euro. Anders als sonst üblich bezahlte Schelsky die Spielergehälter direkt. Auch persönlichen Luxus tarnte er als Geschäftsausgaben. 8.000 Euro für Humidore, Zigarren und Wein rechnete er als „Druckkosten“ ab. Siemens nahm das in Kauf, um loyale Arbeitnehmervertreter zu haben. Die Richter: „Wir haben den Eindruck bekommen, dass die Geschäftsstelle bis 2006 eine Zweigstelle der Firma Siemens gewesen ist.“ BERNHARD HÜBNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen