: Druck auf AKW-Betreiber wächst
Koalitionspolitiker fordern von Stromkonzernen, unsichere Meiler früher abzuschalten und Restlaufzeiten auf andere AKWs zu übertragen. Gefahr durch Terroranschläge sei so am besten auszuschließen. Länder schieben schwarzen Peter dem Bund zu
VON MATTHIAS URBACH UND JÜRGEN VOGES
Aus der Koalition kam gestern Unterstützung für die Forderung des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, fünf Atommeiler zum Schutz vor Terror schneller als geplant abzuschalten. SPD-Fraktionsvize Michael Müller erklärte der taz, jetzt müsse „die Wirtschaft erklären, welche Konsequenzen sie daraus ziehen will“. König hatte gewarnt, dass 5 der 18 deutschen AKWs dem gezielten Absturz einer Passagiermaschine nicht standhielten.
Für Müller ist die Terrorgefahr „die offene Flanke“ beim Ausstieg. Die Betreiber dürften sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie auf den Staat verwiesen, kritisierte er. Mit der Möglichkeit, die im Rahmen des Atomausstiegs vereinbarten Strommengen von abgeschalteten Meilern auf jüngere AKWs zu übertragen, sei den Betreibern „eine Brücke gebaut“ worden.
Auch der grüne Parteichef Reinhard Bütikofer unterstütze gestern seinen Parteifreund an der Spitze des BfS: „Je schneller diese Atomkraftwerke abgestellt werden, desto besser.“ Falls die Betreiber nichts täten, müssten sich halt die Länder darum kümmern. Doch die verhielten sich bislang zurückhaltend, seit ihnen der Bund vor einem Jahr eine Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) vorlegte, die auf die Gefahren hinwies.
Im Rahmen des zwischen Bund und Ländern vereinbarten gesamtstaatlichen Verfahrens haben die AKW-Betreiber im Sommer Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit ihrer Reaktoren vorgelegt – dabei war von früheren Abschalten oder dickeren Wänden aber keine Rede. Vielmehr setzen die Betreiber auf eine Nebelmaschine, die im Notfall gefährdete Reaktoren einnebeln soll. Die GRS begutachtet dieses Verfahren derzeit. Allerdings ermöglicht die übliche Satellitenortung nach Einschätzung der Flugvereinigung Cockpit einen Angriff auch bei Nebel.
Ende Januar versuchten die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, den schwarzen Peter wieder dem Bund zuzuschieben. Er soll in dieser Frage „nationaler Sicherheit“ ein „Vollschutzkonzept“ vorlegen. Trittins Sprecher Michael Schroeren weist dies als Ablenkungsmanöver zurück. Der Bund habe versucht, die Überwachung der Atomanlagen an sich zu ziehen, und sei am Widerstand der Länder gescheitert. „Wenn man auf der Länderkompetenz beharrt, soll man sie auch wahrnehmen“, sagte Schroeren der taz.
Niedersachsens CDU-geführtes Umweltministerium empörte sich dagegen über den BfS-Präsidenten. Mit seinen Äußerungen steige König aus dem vereinbarten gesamtstaatlichen Verfahren zur Verbesserung des Schutzes der AKW vor Terrorangriffen aus und überschreite seine Kompetenzen, kritisierte Ministeriumssprecher Volkert Wiesner gestern. Wenn der BfS-Präsident zudem einzelne angeblich besonders gefährdete Reaktoren nenne, stelle er eine Liste auf, die auch potenzielle Attentäter nutzen könnten.
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