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Ein Komplex, der in die Irre führte

Hamburger „Terrorhelfer“-Prozess gegen Mounir El Motassadeq muss wiederholt werden. Verteidiger werden kommende Woche Haftentlassung beantragten

Für Revisionsanwalt Gerhard Strate ist die Aufarbeiterung des 9-11-Komplexes in Hamburg ein Paradebeispiel dafür, „wie schnell die Justiz in einen Justizirrtum rennen kann.“ Nun hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) um Schadensbegrenzung bemüht, das Urteil des 3. Senats des Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) gegen den Marokkaner Mounir El Motassadeq aufgehoben und zur Neuverhandlung an den 4. OLG-Senat zurückverwiesen. „Das Verfahren wird so zügig wie möglich beginnen“, beteuert Gerichtssprecherin Sabine Westphalen.

Dabei vermag die BGH-Entscheidung nicht zu überraschen: Auch ohne die Wende im Parallelverfahren gegen Abdelghani Mzoudi hätte das OLG-Urteil wohl keinen Bestand gehabt. Zu schnell hatte sich der damalige Vorsitzende des Staatsschutzsenats, Albrecht Mentz, politischen Direktiven und Sperr-Erklärungen von US- und Bundesregierung sowie Geheimdiensten unterworfen. Dabei musste sich der als gewissenhafter Jurist bekannte Mentz durchaus darüber im Klaren gewesen sein, dass er sich mit einem Schuldspruch trotz vorenthaltener Beweismitteln auf dünnem Eis bewegt. Doch zu schwer lastete offenbar der öffentliche Druck.

Im Mzoudi-Verfahren schien anfangs alles nach dem selben Schema abzulaufen. Ein paar „Alltagshandlungen“, die auch als Indizien für eine Beihilfe gewertet werde könnten – und er war schuldig. Doch in der Neuauflage zeigte sich der Richter Klaus Rühle standhafter, bis sich seine Hartnäckigkeit auszahlte und das Bundeskriminalamt entlastende Angaben über US-Vernehmungen des Al-Qaida Logistikers Ramzi Binalshibh herausrückte. Mzoudi wurde freigesprochen.

Motassadeqs Verteidiger Josef Gräßle-Münscher sieht der anstehenden Verfahrens-Neuauflage gelassen entgegen. „Die bisherigen Beweismittel reichen nicht aus“, sagt er. „Wenn in neuen Verfahren nicht dramatisch Neues kommt, wird Motassadeq freigesprochen.“ Zuständig ist jetzt der OLG-Senat unter Richter Ernst-Rainer Schudt. „Das Gericht muss sich noch in die 100 Leitzordner Akten einarbeiten“, sagt Sprecherin Westphalen. Aber schon in der nächsten Woche wohl muss Schudt die erste wichtige Entscheidung treffen: Dann wollen Strate und Gräßle-Münscher die Freilassung Motassadeqs aus der über zweijährigen Untersuchungshaft beantragten. KAI VON APPEN

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