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ARIEL SCHARON ARGUMENTIERT NACH DEMSELBEN MUSTER WIE DIE HAMASLektion nicht gelernt

Dass der Frieden einen Preis hat, ist eine der schwersten Erfahrungen des israelischen Volkes. Hatten sich palästinensische Attentäter bis zur Unterzeichnung der Vereinbarungen von Oslo darauf beschränkt, zwei, drei Menschen pro Anschlag zu töten, flogen im Frühjahr 1994 die ersten Busse in die Luft.

Die islamischen Widerstandsorganisationen schlugen erbarmungslos zu. Sie erhofften harte Gegenschläge, die den Widerstand in der palästinensischen Bevölkerung entfachen sollten. Bis zum Mord am damaligen Premierminister Jitzhak Rabin durch einen jüdischen Extremisten gelang es den islamischen Fundamentalisten nicht, den Friedensprozess aufzuhalten. Denn Rabin war bereit, den Blutzoll zu zahlen, den der Frieden den Israelis abverlangte – die Gegenschläge blieben aus. Rabin wusste, dass jeder andere Weg ungleich größere Opfer fordern würde.

Israels heutiger Premierminister Ariel Scharon, der gern von seinen bitteren Kriegserfahrungen berichtet – daraus aber leider nicht die Konsequenz zieht, dass Krieg nicht sein darf –, hat diese Lektion noch nicht verinnerlicht. Das einzige Interesse, das die israelische Bevölkerung an Verhandlungen mit den Palästinensern hat, ist ein Ende der Gewalt. Etwas anderes hätte der palästinensische Premierminister Abu Masen ohnehin nicht zu bieten. Mit dem Argument, man könne Verhandlungen nicht aufnehmen, indem man den Preis nennt, den man zu zahlen bereit ist, weigert sich Scharon, eventuelle Zugeständnisse an die Palästinenser im Fall eines Friedens auch nur zu benennen. Umgekehrt fordert er seinem Konfliktpartner die sofortige Lieferung der kompletten Ware – den Gewaltverzicht – ab.

Man stelle sich die umgekehrte Situation vor: Die Palästinenser verweigerten Verhandlungen, solange Israel die Truppen aus den besetzten Gebieten nicht vollständig abzieht. Erst dann würde man sich einem Ende der Gewalt, dem Grenzverlauf, Jerusalem und den Flüchtlingen widmen. Genau diese Position nehmen die Führer der Hamas und des islamischen Dschihad heute ein.

Scharon macht den islamischen Fundamentalisten das Leben leicht. Mussten sie sich an Rabin die Zähne ausbeißen und ihre Märtyrer letztendlich unverrichteter Dinge ins Paradies schicken, so erreichen sie mit Hilfe des derzeitigen israelischen Regierungschefs doch noch ihr Ziel. Sie gewinnen an Solidarität im Volk, das kaum noch Hoffnung auf irgendeine friedliche Lösung hat und deshalb jedes Zugeständnis an den zionistischen Feind ablehnt. Um dieses Volk wieder umzustimmen, bedarf es eines radikalen Umdenkens der israelischen Führung. SUSANNE KNAUL

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