piwik no script img

Kein Imageschaden durch Klimakiller

Vattenfall muss den Kohlendioxidausstoß des Steinkohlemeilers Moorburg vermindern. Der kann aber technisch gar nicht nachgerüstet werden, gibt der Hamburger Senat zu. Naturschützer wollen dem Kraftwerk zudem das Elbewasser abgraben

DAS IST MOORBURG

Der Bau des Steinkohlekraftwerks Hamburg-Moorburg ist am 30. September von der grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk aus rechtlichen Gründen genehmigt worden. Im Wahlkampf hatten die Grünen die Anlage als „Dreckschleuder“ abgelehnt. Die Erlaubnis enthält jedoch eine Reihe scharfer wasser- und emissionsrechtlicher Auflagen. In der Summe sollen sie dazu führen, dass der Meiler an bis zu 250 Tagen im Jahr mit verminderter Kapazität betrieben werden muss. Letztlich wäre Moorburg dann nur ein Zwei-Drittel-Meiler. Bei voller Leistung würde es mit 1.654 Megawatt sogar das größte norddeutsche Atomkraftwerk Krümmel (1.440 MW) übertreffen und etwa 650 MW Fernwärme für Tausende Haushalte im Hamburger Süden liefern.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Eine Abscheidung von Kohlendioxid (CCS-Technik) im Steinkohlekraftwerk Hamburg-Moorburg wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben. Das geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf eine große Anfrage der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hervor. Ob und wie dieses Verfahren auf Moorburg anwendbar sei, „ist derzeit nicht abzusehen“, heißt es in der Antwort. CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) steht für die Abtrennung und Endlagerung von CO2, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle oder auch Öl entsteht.

SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal ahnt Böses. Denn in einem Vertrag mit dem damaligen CDU-Senat am 14. November 2007 habe Kraftwerksbetreiber Vattenfall zugesagt, so Schaal, dass „wenn das Verfahren technisch ausgereift sei, es auch in Moorburg zur Anwendung kommen soll“. Das Kraftwerk ist wegen seines Ausstoßes von mehr als acht Millionen Tonnen CO2 im Jahr als „Klimakiller“ politisch heftig umstritten.

Vattenfall wolle Moorburg mit einer CO2-Abscheideranlage „frühestmöglich nachrüsten“, bekräftigte hingegen Unternehmenssprecherin Sabine Neumann am Sonntag auf Nachfrage. Es werde sich vermutlich aber um eine andere Technik, die „nachgeschaltete Rauchgaswäsche“ (Post-Combustion), handeln. Dieses Verfahren werde zurzeit in Pilotanlagen in Norwegen und Dänemark erprobt. „Wir wollen das wirklich machen“, beteuert Neumann, „sonst hätten wir doch einen hohen Imageschaden.“

In dem Vertrag mit dem Senat hatte Vattenfall zugesichert, das Kraftwerk mit der CCS-Technik nachzurüsten, „sobald dies technisch, rechtlich und wirtschaftlich möglich ist“. Anderenfalls würden Strafzahlungen von bis zu 10,5 Millionen Euro an die Stadt fällig. Bis Ende 2013 sollten Anträge eingereicht und spätestens drei Jahre nach Genehmigung der Bau beginnen.

Aus Unterlagen von Vattenfall ergebe sich jedoch, heißt es jetzt in einem Bericht des Umweltausschusses zu diesem Thema, „dass CO2-Abscheideranlagen frühestens im Jahr 2020 realisierbar seien“. Und in seiner Antwort an die SPD räumt der Senat ein: „Bestehende Kraftwerke können nach jetzigem Kenntnisstand mit dieser Technologie nicht nachgerüstet werden.“ Schaal fallen da „jede Menge neuer Fragen“ ein. Sie kündigt an, „bei diesen Punkten präzise und detailliert nachzubohren“.

Und die tatsächliche Höhe der klimaschädlichen CO2-Emissionen ist nicht der einzige wackelige Punkt in den Genehmigungsunterlagen für den Steinkohlemeiler. Denn parallel plant Vattenfall, in das Elbestauwerk Geesthacht ein Wasserkraftwerk einzubauen und am nördlichen Ufer eine Fischtreppe anzulegen. Dieses Vorhaben muss gestoppt werden, fordern nun Naturschützer aus allen sieben Bundesländern an der Elbe von Sachsen bis Niedersachsen.

Das aber hätte gravierende Folgen für Moorburg. Denn das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte die Geesthachter Fischtreppe im August als Ausgleichsmaßnahme für Belastungen akzeptiert, die das Kohlekraftwerk für die Elbe habe. Erst nach der Entscheidung hatte Hamburgs grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk Ende September eine Genehmigung mit Auflagen für Moorburg erteilt (siehe Kasten).

Diese Fischtreppe sei jedoch aus fachlicher Sicht erstens nicht ausreichend, kritisiert der Naturschutzbund (Nabu), und hätte zweitens eine fatale Nebenwirkung. Zahllose der angelockten Fische würden „in den Turbinen der Wasserkraftanlage getötet“. Darunter seien vor allem gefährdete Arten wie Lachs und Stör, die nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat geschützt seien. Die zurzeit laufenden Programme zur Wiederansiedlung dieser Fische in der Elbe würden in Geesthacht torpediert.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht die Deklarierung der Fischtreppe als „Schadensminderungsmaßnahme für Moorburg“ als unzulässig an, erklärte der Hamburger BUND-Chef Manfred Braasch. Nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und dem Wasserhaushaltsgesetz müsste diese Vorrichtung ohnehin gebaut werden. Deshalb dürfe sie nicht zusätzlich zur Ausgleichsmaßnahme für Moorburg deklariert werden, begründet der Umweltverband seine jetzt eingereichte Klage gegen die Baugenehmigung für Moorburg: Doppelt verbuchter Ausgleich sei gar kein Ausgleich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen