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„Wir haben große Bauchschmerzen“

Der Landesdatenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka hält die Verfolgung von Straftätern per SMS für rechtlich fragwürdig. Seiner Meinung nach muss die Anwendung dieser Methode stets richterlich abgesegnet werden

taz: Herr Garstka, die Polizei ortet Straftäter per SMS. Ist das mit dem Datenschutz vereinbar?

Hansjürgen Garstka: Innensenator Ehrhart Körting selbst hat ja Bauchschmerzen, wir natürlich um so mehr. Ich habe große Zweifel, dass diese SMS-Ortung rechtmäßig ist, doch noch überprüfen wir die Details.

Wo sind denn die Rechtsgrundlagen festgeschrieben?

Bei diesen Informationen handelt es sich um Verbindungsdaten, und diese müssen von den Mobilfunkbetreibern nach Paragraf 100 g der Strafprozessordnung (StPO) herausgegeben werden.

In welchen Fällen darf die Polizei einen Verdächtigen überwachen und per SMS orten?

Es gibt zwei Voraussetzungen: Zum einen muss ein Richter diese Maßnahme anordnen. Zweitens muss es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handeln. Wie „erheblich“ definiert wird, darüber kann man sich streiten. Die Berliner Polizei hat uns mitgeteilt, dass eine Standortfeststellung mittels SMS nur erfolgt, wenn eine Telefonüberwachung nach Paragraf 100 a StPO angeordnet ist. Es werden also keine SMS-Ortungen losgelöst von einer richterlich genehmigten Telefonüberwachung durchgeführt.

Wie groß ist die Hürde für eine solche Überwachung?

Die Anforderungen an eine Telefonüberwachung nach Paragraf 100 a sind erheblich höher als die Hürden des Paragrafen 100 g. Wenn also tatsächlich nur in den Fällen des Parafgrafen 100 a abgehört wird, kann man davon ausgehen, dass es sich um Straftaten handelt, bei denen diese Maßnahme gerechtfertigt ist. Aber was die Standortfeststellung via SMS angeht: Ich bin der Auffassung, dass ein Richter dies noch mal gesondert anordnen muss. Es kann nicht sein, dass mit der Anordnung der Telefonüberwachung gleichzeitig der Standort ermittelt werden darf.

Wird denn eine zweite richterliche Erlaubnis zur Standortfeststellung abgewartet?

Ich bezweifle, dass das geschieht. Und diesen Punkt überprüfen wir im Moment auch. Ein weiterer kritischer Aspekt: Die Polizei erschleicht sich bei der SMS-Ortung die Verbindungsdaten des Betroffenen, denn sie selbst erzeugt durch den stillen SMS-Versand die Daten, die laut Paragraf 100 g herausgegeben werden müssen. Ob sich die Polizei solcher Mittel bedienen darf, halte ich für mehr als fragwürdig und rechtsstaatlich problematisch.

Halten Sie die Strafverfolgung per SMS für angemessen?

Man muss feststellen, dass sich auch die Verbrecher zunehmend moderner Technik bedienen. Und wenn Straftäter Handy-Technik einsetzen, dann wird man der Polizei schwerlich entsprechende Gegenmaßnahmen verwehren können. Nur: Das muss mit offenem Visier passieren und nicht mit rechtsstaatlich fragwürdigen Methoden.

Gibt es eigentlich noch Bereiche, in denen der Bürger nicht verfolgbar ist?

Drastisch formuliert: Kein Mensch ist gezwungen, ein Handy zu benutzen. Wer Informationstechnik nutzt, setzt sich den Überwachungsmöglichkeiten aus. Das ist einer der Gründe, wieso wir Datenschützer in diesem Bereich sehr restriktive Vorschriften verlangen. Die Belange von Polizeibehörden dürfen kein Architekturmerkmal von Telekommunikationssystemen sein.

Liest die Polizei eigentlich auch SMS-Mitteilungen?

Davon gehe ich aus. Wenn eine Telefonüberwachung angeordnet ist, hört die Polizei die gesamte Verbindung ab.

Kann es denn jetzt sein, dass auch der kleine Drogenkonsument eine Überwachung auferlegt bekommt?

Wenn etwa ein Dealer überwacht wird, kann das weite Kreise ziehen. Zuletzt gesehen bei Michel Friedman. INTERVIEW: MAX HÄGLER

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