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Der Terror der Gleichgültigkeit

Kinder in den vergessenen Konflikten dieser Welt erreicht humanitäre Hilfe zumeist nicht. Laut Unicef sind sie den Bürgerkriegsparteien zudem schutzlos ausgeliefert

BERLIN ap ■ Trotz zahlreicher Appelle des Kinderhilfswerks Unicef bleiben in Ländern wie Angola, Sudan und Somalia Millionen Kinder von internationaler humanitärer Hilfe ausgeschlossen. Allein in zehn besonders vernachlässigten Ländern sterben jedes Jahr 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen chronischer Notsituationen, wie Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs am Freitag in Berlin bei der Präsentation des Jahresberichts „Zur Lage der Kinder in Krisengebieten 2004“ sagte.

Deswegen müssten die Regierungen mehr Geld für Kinder in so genannten vergessenen Konflikten bereitstellen. Vielerorts fehlten lebenswichtige Medikamente, die Versorgung mit sauberem Wasser, Medikamenten, Zusatznahrung oder der Aufbau von Notschulen sei nur eingeschränkt möglich. „Die politisch-strategische Bedeutung eines Landes und seine Präsenz in den Medien dürfen nicht darüber entscheiden, ob Kindern in Not geholfen wird“, sagte Garlichs.

Die häufigsten Todesursachen seien vermeidbare Krankheiten wie Masern, Durchfall oder Atemwegserkrankungen und Malaria, sagte Garlichs. Sie würden zur tödlichen Gefahr, wenn Kinder durch chronische Mangelernährung geschwächt und nicht geimpft seien. Hinzu komme die Gefahr durch Minen und Blindgänger. Jedes Jahr würden hierdurch weltweit 15.000 bis 20.000 Menschen getötet oder verletzt, etwa ein Drittel davon seien Kinder.

Unicef-Botschafter Harry Belafonte erklärte, Terrorismus habe auch andere Gesichter als die des 11. September oder der Anschläge in Madrid. „Die schlimmsten Formen des Terrorismus sind Gleichgültigkeit, Hunger und Krankheiten. Wenn wir diese nicht überwinden, werden wir nie in Frieden leben“, sagte er. Der wahre Terror in dieser Welt sei der Terror der Ignoranz. So lange Armut herrsche, bleibe die Welt instabil.

Garlichs wies auf die dramatische Situation von über einer Million Flüchtlinge in der Provinz Darfur im West-Sudan hin. Die meisten von ihnen seien Kinder und Frauen. „Weitgehend unbeachtet von der internationalen Öffentlichkeit sind sie schutzlos Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Morden durch Milizen und Militärs ausgesetzt“, sagte er.

Als Besorgnis erregend bezeichnete Garlichs die wachsende Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Vergewaltigungen und Zwangsprostitution quälten nicht nur die Opfer, sondern zerstörten Familien und Dorfgemeinschaften. Sie trügen auch zur rasanten Ausbreitung von Aids bei.

Der Unicef-Bericht gibt einen umfassenden Überblick über die bedrückenden Lebensumstände der Kinder in 30 Krisenländern, darunter Angola, Burundi, Haiti, Demokratische Republik Kongo, Nordkorea, Sudan und Somalia sowie die von Dürre und Aids betroffenen Staaten im südlichen Afrika wie Malawi, Mosambik, Sambia und Simbabwe.

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