schnittplatz: Bend it like Bratkartoffel
Allenthalben war es zu lesen – so sehr man sich innerhalb der ARD freute, dass die „Sportschau“ wiederbelebt werden sollte, die Sendung, versicherten die Verantwortlichen, würde selbstverständlich nicht mehr wie früher aussehen, sondern zeitgemäß daherkommen. Zu hören und zu sehen gab es vorher jedoch einiges, das sogar älter ist als Ernst Huberty: Werbespots von unvergleichlicher Direktheit. Herrlich, die Frauen könnten ja inzwischen am Sonnabend bis 20 Uhr einkaufen gehen, hieß es da, und die Männer sich derweil in Ruhe mit Fußball beschäftigen; an anderer Stelle bestätigte ein Mann seinem Gesprächspartner, die Verabredung zum großen gemeinsamen „Sportschau“-Gucken stehe, allerdings wolle da einer seine Freundin mitbringen. „Dann soll der sich andere Kumpels suchen“, lautete die Antwort. Zuletzt intonierten verschiedene Stimmen in einem Radiospot freudig den Refrain von „Football’s coming home“ – ausschließlich Sangesbrüder, ein weiblicher Sopran oder Alt war nicht zu vernehmen.
Ich gebe zu, ich war irritiert. Dort, wo die „Sportschau“ „endlich zu Hause“ sein will, sitzt also nur Vati vor dem Fernseher. Mehr noch: Frauen haben Fußballguckverbot. Das war mir neu. Andererseits ist es Arbeitslosen neuerdings und per Ministererlass untersagt, arbeitslos zu sein – wir leben in seltsamen Zeiten, ich hatte da offenbar etwas verpasst. Was tun? Fiel die Schlusskonferenz im Radio auch unter das Verdikt? War es mir wenigstens gestattet, meinen persönlichen Sportreporter nach den Ergebnissen des Spieltages zu fragen?
Ich beschloss, mich unauffällig zu verhalten. Am lang erwarteten ersten „Sportschau“-Tag verwickelte ich einen Nachbarn in ein Gespräch über die Sommerhitze und erklärte, ohnehin nur noch hinter heruntergezogenen Jalousien zu leben. Darüber hinaus erwähnte ich ein raffiniertes Rezept, dass mich später mehrere Stunden beanspruchen würde. Um zehn Minuten nach sechs drehte ich das Küchenradio auf, dann schlich ich ins Wohnzimmer, schloss die Tür und schaltete heimlich die „Sportschau“ ein. Ich kam eine Minute zu spät, weshalb ich die Einblendung „Die folgende Sendung ist für Frauen nicht geeignet“ wahrscheinlich verpasste.
CAROLA RÖNNEBURG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen