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kommentarMontagsdemos, Hartz IV und Gerhard Schröder: Ein Held des Teilrückzugs

Schröder und Clement haben zwei grobe Härten bei Hartz IV beseitigt. Offenbar hat sie der wütende Widerstand beeindruckt, der längst nicht mehr nur von Linken kommt, sondern auch von Bild, CDU-Ministerpräsidenten und vielen Bürgern. Drei Fragen stellen sich: Ist dies eine Niederlage für Schröder? Wird Hartz IV nun kippen? Und wem nutzt die Korrektur?

Eine Niederlage für Schröder dürften in diesem taktischen Rückzug nur konservative Hysteriker sehen, die dies für ein Zurückweichen „vor der Straße“ halten – übrigens eine Wahrnehmung feudaler Herkunft. Vor allem jedoch ist sie falsch. Schröder wird keine echte Kurskorrektur dulden. Er hat sich geradezu doktrinär mit Hartz IV identifiziert. Wenn Schröder klug ist, wird er allerdings noch ein paar Zugeständnisse machen. Die Montagsdemos können Hartz IV jedenfalls nicht kippen. Sie werden jetzt, erfolgsbeflügelt, den Druck verstärken – aber am Ende werden sie verlieren. Denn dieser Teilrückzug hat die Regierung stärker gemacht, nicht schwächer.

Arbeitslosigkeit bekämpfen, indem man Arbeitslosen Daumenschrauben anlegt: Diese Kernidee von Hartz IV gilt noch immer. Und noch immer ist es eine einfältige fixe Idee. Aber Schröder hat offenbar begriffen, dass Hartz IV längst eine Chiffre für die berechtigten Abstiegsängste der Mittelschicht ist. Wer das ignoriert, verliert jede Wahl. Symbolisch hat Schröder nun zu verstehen gegeben: Wir akzeptieren diese Angst.

Damit sind die niederschmetternden Aussichten für die SPD erstmals seit langer Zeit aufgehellt. Sogar das Undenkbare, ein Sieg 2006, könnte wieder drin sein. Denn gleichzeitig rückt, ausgelöst durch Stoibers Kritik an Merkel/Westerwelle, die Schwäche der Union ins Rampenlicht. Die Wahlsiege der Union fußten bislang darauf, dass sie als ökonomisch kompetenter und irgendwie sozialer als Schröder & Clement galt.

Stoiber hat nun, aus falschem Grunde, das Richtige gesagt: Merkel/Westerwelle werden Rot-Grün nicht schlagen – nicht weil ostdeutsch/schwul die durchliberalisierte deutsche Gesellschaft überfordert, sondern weil dieses Duo einen bindungslosen, eisigen Neoliberalismus verkörpert. Das wird sich bis 2006 noch rächen. Rot-Grün kann daher das unverdiente Glück haben, noch eine Chance zu bekommen. Vorausgesetzt, Schröder hat die Botschaft der Montagsdemos wirklich verstanden. STEFAN REINECKE

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