Blair kennt keinen Rückwärtsgang

Der britische Premierminister Tony Blair hält bei seiner Rede auf dem Labour-Parteitag an seinem Kurs fest. Aber er verspricht eine breiten politischen Dialog mit der Bevölkerung. Der Streit um einen Antrag zum Irakkrieg ist noch nicht ausgestanden

von RALF SOTSCHECK

Sie halten ihm weiter die Stange, wenn auch nicht mehr so begeistert wie früher. Der britische Premierminister Tony Blair wurde gestern Nachmittag zu seiner Rede auf dem Parteitag im südenglischen Bournemouth zwar mit stehenden Ovationen begrüßt und knapp 50 Minuten später mit stehenden Ovationen verabschiedet. Dazwischen lag jedoch eine Rede, die in vielen Punkten zumindest leises Murren auslöste.

Was den Irakkrieg betrifft, so würde er alles genauso noch mal machen, sagte Blair. „Großbritannien ist dadurch sicherer geworden“, meinte er, schlug jedoch auch versöhnlichere Töne an: „Ich weiß, dass viele Menschen enttäuscht, verletzt, wütend sind. Ich weiß, dass viele zutiefst davon überzeugt sind, dass unsere Aktion falsch war. Ich bitte aber um eins: Attackiert meine Entscheidung, aber versteht wenigstens, warum ich sie getroffen habe und warum ich sie wieder treffen würde.“ Blair glaubt nicht, dass das Sicherheitsrisiko des 21. Jahrhunderts Länder sind, die einen konventionellen Krieg anzetteln. „Ich glaube, dass in der heutigen Welt das Chaos die Gefahr ist“, sagte er. „Es ist Fanatismus, der den Verstand übersteigt.“

Die Zwischenrufe, die während dieses Teils seiner Rede erwartet wurden, blieben aus, doch das Thema ist noch nicht vom Tisch. Die Parteiführung hatte am Sonntag versucht, einen Antrag der Gewerkschaften abzuwürgen, wonach der Krieg ungerechtfertigt war und die britischen Truppen abgezogen werden sollen. Ob dieser Antrag nun doch gestellt werden darf, entscheidet das Organsiationskomitee heute vor der Rede von Verteidigungsminister Geoff Hoon. Einerseits will man eine peinliche Abstimmungsniederlage für Blair vermeiden, andererseits befürchtet man eine breite Protestwelle unter den Delegierten.

Gestern standen die Kriegsgegner vor der Halle mit ihren Plakaten, auf denen der Name des Premierministers durch einen simplen Punkt abgeändert wurde: „B. Liar“ - B. Lügner. Laut einer Umfrage des Independent sind 59 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt, dass Blair in Sachen Irak gelogen habe. Sie nehmen ihm das aber nicht krumm: 52 Prozent finden, das sei kein Rücktrittsgrund.

Und ein Rücktritt ist mangels Alternative auch nicht in Sicht. Allerdings hatte Gordon Brown, der Schatzkanzler und Rivale von Blair, am Montag die Stimmung in der Partei besser als Blair getroffen. Brown vermied auffallend den Begriff „New Labour“ und erwähnte stattdessen 63-mal „Labour“. Das gefiel den Delegierten, weil sie es als „Old Labour“ interpretierten. Er sprach davon, der Labour Party „ihre Seele“ zurückzugeben, er versprach 2,5 Prozent mehr Geld pro Jahr für den öffentlichen Dienst und redete von „sozialer Gerechtigkeit und Fairness“.

Doch Brown ist genauso wenig Sozialist wie Blair. Einem Berater, der ihm empfohlen hatte, seinen Kritikern die Hand auszustrecken, entgegenete Blair sarkastisch: „Ich könnte meine Rede ja mit den Worten beginnen: Genossen, als Sozialist sage ich euch …“ Nein, Blair wich nicht von seinem Kurs ab, weder in Sachen Irak noch bei den innenpolitischen Themen. „Ich habe keinen Rückwärtsgang“, sagte er. Die Reform des Bildungs- und Gesundheitswesens mit Hilfe privater Investitionen will er ebenso vorantreiben wie die Reform der Asylpolitik.

Allerdings versprach Blair, künftig „mit dem britischen Volk in einen Dialog“ zu treten. Es soll die „größte politische Konsultation“ werden, die jemals in Großbritannien stattgefunden hat. Ob er damit eine politische Basis für New Labour schaffen kann, die der Partei zunehmend flöten geht, ist zu bezweifeln. Sein früherer Berater David Clark fragt sich, ob Blair einfach ein ausgezeichneter Redner oder sein Publikum auffallend gutgläubig sei. Jahr für Jahr mache Blair auf dem Parteitag Versprechungen, sagte Clark und fügte hinzu: „Den Rest des Jahres verbringt er damit, seine Rede zu ignorieren.“