BERLUSCONI WIRD DIE FREILASSUNG DER GEISELN NICHT AUSNUTZEN KÖNNEN: Vereint nur für den Dialog
Das hat Silvio Berlusconi in den drei Jahren seiner Regierungszeit noch nicht erlebt: Das ganze italienische Abgeordnetenhaus zollte ihm Beifall, von rechts bis links außen. Und der Beifall galt durchaus nicht nur der Freilassung der Geiseln, sondern auch der – von Berlusconi noch einmal unterstrichenen – Strategie der Regierung in dem Entführungsfall. Einer Strategie des Zusammengehens mit der Opposition zu Hause und des ebenso diskreten wie beharrlichen Verhandelns im Irak. Vier Menschenleben wurden so gerettet – Beifall hat Berlusconi sich redlich verdient. Auch die radikalen Pazifisten der NGO „Un ponte per“, für die die Freigelassenen tätig sind, sprachen ihm ihren Dank aus – „bei allem, was uns politisch trennt“.
Sie fügten aber gleich hinzu, welcher Linie dieser Dank gilt: einer „Linie des Dialogs“. Seit Dienstag erlebt Italien die emphatische Beschwörung des hohen Werts der „unità nazionale“, der nationalen Einheit, die sich jetzt, ganz wie Ende der Siebziger im Kampf gegen den heimischen Terror der Roten Brigaden, erneut ausgezahlt habe. Darüber wird im Berlusconi-Lager gerne vergessen, dass diesmal die „nationale Einheit“ einen ganz anderen Inhalt hatte als vor 25 Jahren: nicht den des Durchhaltens um jeden Preis, des „mit Terroristen wird nicht verhandelt“. Jetzt wurde verhandelt und wohl auch gezahlt. Das sei ja „kein politisches Zugeständnis“, heißt es von allen Seiten. So ganz stimmt das nicht: Den Truppenabzug hat Italien sich nicht abpressen lassen – wohl aber hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kriegskasse bewaffneter US-Gegner im Irak kräftig aufgefüllt.
Berlusconi war offenkundig bereit, diesen Preis zu zahlen – nur deshalb trug diesmal die nationale Einheit. Ein Freibrief für die Irakpolitik der Regierung aber wird daraus nicht werden. Das ist der italienischen Rechten nur allzu bewusst, die ausgerechnet die „beiden Simonas“ für sich zu vereinnahmen sucht: Gestern titelte das Berlusconi-Blatt Il Giornale zum Großfoto der zwei Befreiten: „Gerettet! Nun errettet uns vor den Pazifisten!“ Diesen Gefallen werden Italiens Kriegsgegner, werden vorneweg die beiden überzeugten Pazifistinnen Simona Pari und Simona Torretta Berlusconi kaum tun. MICHAEL BRAUN
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