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Rechte aus der Kaiserzeit

Bambule: Neue Runde im Harkort-Komplex – der symbolischen Besetzung des Bundesbahngeländes. Gestern begann der erste Berufungsprozess von 84 Verfahren

Als Landrichter Dieter Kawlath gestern den Polizeibeamten Thorsten M. fragt, ob er sich denn noch an die Ereignisse vom 27. September 2003 auf dem Bahngelände an der Harkortstraße erinnert, kommt ein schnelles Ja. „Ich bin zurzeit deswegen mindestens jeden Monat fünf Mal vor Gericht“, sagt der Polizist. Denn er ist eine Schlüsselfigur; er hatte damals den mündlichen Strafantrag eines Bahn-Immobilien-Vertreters aufgenommen, als Bambulisten das Brachgelände symbolisch besetzt hatten. 84 Einzelverfahren hat daraufhin die Justiz eröffnet, die Verhandlung gegen Lars J. ist das erste Berufungsverfahren in zweiter Instanz.

Dass es so weit kommen musste, liegt an der Hartnäckigkeit der Justiz. Die Verteidiger der BesetzerInnen hatten sich bereit erklärt, einer Einstellung aller Verfahren gegen Zahlung eines einheitlichen Bußgeldes zuzustimmen. Doch die Anklagebehörde beharrte auf unterschiedlichen Beträgen – je nachdem, ob es schon vorher Verurteilungen gegeben hat.

Und so muss sich nun auch das Landgericht mit der symbolischen Besetzung des Areals befassen, das Bambule Monate zuvor vom Senatsunterhändler Walter Wellinghausen als Ersatzplatz angeboten worden war. Denn nicht nur Lars J., sondern auch die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Amtsgerichtsurteil von 25 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruch Berufung eingelegt.

Dabei macht sich Lars J. keine großen Illusionen: „Hier geht es nicht darum, Straftaten zu verfolgen, sondern mit juristischen Mitteln einer Bewegung zu begegnen, die andere Lebensformen anstrebt.“

In der Tat haften dem Polizeieinsatz von damals viele Fragezeichen an. Zwei davon problematisierte Verteidigerin Ingrid Witte-Rohde gleich zu Beginn. So habe der Vertreter der Bahn-Immobilien den Strafantrag mündlich gegenüber Thorsten M. gestellt. Nach einem Urteil des „Reichsgerichts“ von 1886, was in den Rechtskommentaren zum Hausfriedensbruch noch immer Anwendung finde, hätte dieser Strafantrag schriftlich erfolgen müssen, argumentiert Witte-Rohde. Zudem geht die Juristin davon aus, dass es sich um eine vom Demonstrationsrecht geschützte Versammlung gehandelt habe. „Es ist zur Kundgebung über Internet aufgerufen worden. Wer glaubt denn, dass die Polizei davon nichts gewusst hat“, so Witte-Rohde. Es hätte also eine korrekte Aufforderung zur Auflösung geben müssen.

Doch die gab es offensichtlich nicht, wie Parallelverfahren belegen. Im Gegenteil: Obwohl die Ordnungsmacht schon längst aufgefahren war, hatte sie an dem Abend noch lange Zeit Leute auf das Brachgelände gelassen – das im Übrigen an vielen Punkten frei zugänglich war – bevor sie schnell die Menschen einkesselte. Der Prozess wird fortgesetzt. KAI VON APPEN

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