: Ohrfeige für Kölns Spendensammler
Im Kölner Müllprozess empfiehlt Richter Martin Baur in seiner Zwischenbilanz den Angeklagten Norbert Rüther und Sigfrid Michelfelder, doch mal über ein wirkliches und vollständiges Geständnis „nachzudenken“: „Endgültig zu spät ist es noch nicht“
VON PASCAL BEUCKER
Der 7. Verhandlungstag im Kölner Müllprozess war ein bitterer für Norbert Rüther und Sigfrid Michelfelder. Mit hängenden Schultern und bitterer Miene verließen die beiden Angeklagten gestern Nachmittag den Gerichtssaal. Denn zuvor hatte ihnen der vorsitzende Richter Martin Baur eine Zwischenbilanz gezogen. Seine „vorläufigen Erwägungen“ sollten dazu dienen, „laut nachzudenken, wie sich die Dinge entwickeln können“ – und für Ex-SPD-Ratsfraktionschef Rüther und für Michelfelder, den Ex-Manager des Gummersbacher Anlagebauers Steinmüller, entwickeln sie sich nach Ansicht des Gerichts nicht gut.
Die Ohrfeige der 14. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts hätte schallender nicht sein können: Es sei schon sonderbar, wie der Ex-SPD-Ratsfraktionschef Rüther in seinen bisherigen Aussagen seine eigene politische Rolle in den Hintergrund gespielt hätte. „Sie schildern sich uns als die in Köln unmaßgeblichste Person“, hielt Baur Rüther vor – und machte deutlich, dass er ihm nicht nur an diesem Punkt nicht glaubt. Den Aussagen Michelfelders bescheinigte der Richter, sie erschienen doch reichlich „Prozessergebnis orientiert“ und zu „maßgeschneidert“. An beide gab Baur „die Anregung“, doch noch über ein vollständiges Geständnis „nachzudenken“. Baur: „Endgültig zu spät ist es noch nicht.“
Demgegenüber konnte sich der Mitangeklagte Ulrich Eisermann zufrieden zurücklehnen. Das Gericht bescheinigte ihm, bislang keinerlei Anlass für Zweifel an seinen Aussagen zu sehen. Die Schilderungen des Ex-AVG-Managers klängen vielmehr plausibel. Es spräche vieles dafür, „dass Herr Eisermann schlicht und ergreifend die Wahrheit gesagt hat“. Das sei allerdings „nicht der dicke Persilschein“, schränkte Baur ein. Bitter für Rüther und Michelfelder: Auch in den beiden zentralen Punkten, in denen sich ihre Aussagen zu ihren Gunsten von denen Eisermanns unterscheiden, hält das Gericht dessen Einlassungen für glaubwürdiger. So geht es davon aus, dass Rüther entgegen seinen Beteuerungen eine Million Euro aus dem Schmiergeldtopf Eisermanns bekommen hat. Man könne ihm ja auch ansonsten nicht gerade unterstellen, dass er unter einer „Geldphobie“ gelitten hätte.
Ebenso halten es die Richter für wahrscheinlich, dass Michelfelder 1996 die von ihm bestrittenen 1,2 Millionen Euro von Eisermann erhielt. Für Rüther könnte es auch ansonsten unbequem werden. Das Gericht bekräftigte den rechtlichen Hinweis, dass in seinem Fall auch Amtsträgerbestechlichkeit in Betracht komme. Der Hintergrund sind zwei Trienekens-Spenden über insgesamt 150.000 Mark aus dem Jahr 1999, die bislang der rechtlichen Grauzone der „Danke-schön-Spenden“ zugeordnet waren.
Inzwischen wird geprüft, ob diese Spenden im Zusammenhang mit der damals anstehenden Entscheidung über die Privatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe standen. Da Rüther damals als Ratsherr Amtsträger gewesen sei, müsse man den Vorwurf der Bestechlichkeit in die Überlegungen einbeziehen. Bislang ist das ehemalige Polit-Schwergewicht nur wegen des Verdachts der Annahme des Eisermann-Schmiergelds angeklagt. Sollte Rüther verurteilt werden, kann sich der neue Vorwurf strafverschärfend auswirken. Würde er freigesprochen, könnte die Staatsanwaltschaft ihn wegen der von ihm eingeräumten Trienekens-Spenden erneut vor Gericht bringen.
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