: „Das ist Integration mit großer Keule“
Der Präsident des Bundesamts für Migration stößt mit seinen Vorstellungen auf Widerspruch. Grüne und Verbände haben Albert Schmid nach dessen taz-Interview im Verdacht, Ausländer zur Anpassung an deutsche Verhältnisse zwingen zu wollen
VON LUKAS WALLRAFF
Am 1. Januar tritt das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Doch der Streit um die damit verbundenen neuen Sprachkurse fängt jetzt erst richtig an. Vor allem eine Frage sorgt für Diskussionen: Wie viel Druck sollte der Staat ausüben, um Einwanderer zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen zu bewegen? Die Antworten, die der zuständige Präsident des Bundesamts für Migration, Albert Schmid (SPD), dazu am Donnerstag in einem taz-Interview gab, lösten Kritik bei Migrantenorganisationen und den Grünen aus, weil sie zu drohend geklungen hätten. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) indes forderte gestern sogar, Ausländern bei Nichtteilnahme an Sprachkursen die Sozialhilfe zu kürzen.
„Ob man mit der großen Keule die Integration unterstützt, bezweifle ich sehr“, sagte gestern der Vizechef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Josef Winkler, erklärte: „Im Gegensatz zu Herrn Schmid bin ich optimistisch, dass wir weitgehend ohne Sanktionen auskommen werden.“ Jedenfalls sollte man Migranten nicht von vornherein mangelnden Willen unterstellen. Es gebe „keinen Beweis, dass sich Migranten vorsätzlich entziehen. Bisher gab es ja kaum Angebote.“ Hilfreicher als Drohungen sei deshalb der Appell, die neuen Angebote wahrzunehmen.
Winkler bezweifelte, dass dem Nürnberger Bundesamt die Umstellung von einer reinen Asylprüfstelle zu einem modernen Integrationsmotor bereits gelungen ist. „Ob sich diese geistige Umprogrammierung auch auf die Behördenleitung schon in voller Gänze ausgewirkt hat, da bin ich mir nach diesem Interview nicht mehr so sicher.“
Schmid hatte in der taz betont, insbesondere bei arbeitslosen Migranten und ausländischen Empfängern von Sozialhilfe habe das neue Integrationskonzept „den Charakter eines stärkeren Nachdrucks“. So werde eine Aufenthaltserlaubnis „nicht verlängert, wenn keine Integrationsbereitschaft sichtbar wird“.
Wie der Grüne Winkler meint auch der Türkische-Gemeinde-Vize Kolat, es habe wenig Sinn, mit solchen aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen zu drohen. „Das kann man bei Türken sowieso nicht umsetzen“, erklärte Kolat und verwies auf das Assoziationsabkommen Ankaras mit der Europäischen Union, das türkische Staatsbürger weitgehend mit EU-Bürgern gleichstellt, die nur bei schweren Straftaten ausgewiesen werden können. Aber auch bei weniger gut geschützten Migranten seien Sanktionsdrohungen „das falsche Signal“. „Vielleicht werden sie dann aus Angst teilnehmen“, so Kolat, „aber so lernt man nicht.“ Er kritisierte zudem, dass das Bundesamt die Migrantenverbände nicht in die Vorbereitung der Kurse einbezogen habe. Auf einen Brief an Schmid habe er „keine Antwort erhalten“.
Innenminister Otto Schily gab gestern immerhin „Telefon- und E-Mail-Hotlines“ bekannt, an die sich alle wenden können, die sich für Integrationskurse interessieren: Tel. (09 11) 9 43 63 90 bzw. info.buerger@bamf.bund.de.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen