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Die NS-Justiz verfolgt ihre Opfer

KRIEGSVERRÄTER Opfer der NS-Militärjustiz gelten in der Bundesrepublik heute noch als vorbestraft und als Verbrecher. 15 „Kriegsverräter“-Fälle dokumentiert eine Ausstellung

„Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“ Hans Filbinger, Marinerichter (NSDAP) und Ministerpräsident (CDU)

Von Klaus Wolschner

Es ist sicherlich ein zufälliges Zusammentreffen: Heute debattiert der Bundestag in Berlin über die Frage, ob die Urteile der NS-Justiz gegen so genannte „Kriegsverräter“ pauschal aufgehoben werden sollen. Und in Bremen wird heute Nachmittag eine Ausstellung unter dem Titel „Was damals Recht war...“ eröffnet, in der die Kontinuität der Justiz über das Jahr 1945 hinweg Thema ist.

In 25 Veranstaltungen wird in den kommenden Wochen das Thema von verschiedenen Seiten aufgegriffen. Zur Eröffnung spricht heute Nachmittag (16 Uhr) der Historiker Manfred Messerschmidt. Bei dem Begleitprogramm geht es auch um aktuelle Themen wie die heutige Militärseelsorge oder um Desertion im Afghanistan-Krieg.

Auf schlichten Tafeln sind in der Ausstellung 15 Fälle dokumentiert, die nicht unter die Rehabilitation fielen, die die rot-grüne Bundestagsmehrheit im Jahre 2002 – immerhin 47 Jahre danach – beschlossen hatte. Für viele kam selbst diese Rehabilitierung zu spät, für manche sehr spät. Etwa für die Bremerin Luise Otten (Röhrs). Sie war zu einer Flugmelde-Einheit eingezogen worden, wo sie die Küche leitete. Als sie 1944 enttäuscht über den Ausgang des Hitler-Attentates bemerkte, das hätte Frieden bringen können, wurde sie von einer Kollegin denunziert – und wegen „Wehrkraftzersetzung“ am 26. 7. 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde nach einem Gnadengesuch ihres Vaters in eine 10-jährige Zuchthausstrafe umgewandelt. Erst 1991 wurde sie rehabilitiert.

Dass mancher der Richter, die solche Todesurteile fällten, in den 50er Jahren seine Karriere fortsetzen konnte, zeigt das Beispiel von Karl Bode. Er war 1933 in die NSDAP eingetreten und machte schnell Karriere am Oberlandesgericht. Am 8. September 1939 führte er den Vorsitz bei einem Kriegsgerichtsprozess gegen die Verteidiger der polnischen Post in Danzig und sprach Todesurteile gegen sämtliche Angeklagte aus. Als Generalstaatsanwalt des Reichsgaus Danzig-Westpreußen arbeitete er an 350 Todesurteilen mit.

Günter Grass schrieb über die Danziger Geschichte seine „Blechtrommel“ – ein Cousin seiner Mutter gehörte zu den Verteidigern der polnischen Post. 1949 wurde Bode als „Mitläufer“ eingestuft, später avancierte er sogar zum „Entlasteten“. Er konnte damit in den bremischen Justizdienst eintreten und brachte es 1955 zum Senatspräsidenten beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen. 1960 ging er in den Ruhestand.

Erst aufgrund des Buches von Dieter Schenk über die „Post von Danzig“, das 1995 erschienen war, ordnete der Bundesgerichtshof 1998 eine Wiederaufnahme des Prozesses aus dem Jahre 1939 vor dem Landgericht Lübeck an, das mit einem posthumen Freispruch der Danziger Postverteidiger endete. Schenk kommt am 17. Juni nach Bremen. Am 22. 6. kommt der Historiker Wolfram Wette, aufgrund von dessen Forschung über die so genannten „Kriegsverräter“ der Bundestag heute die Rehabilitierung dieser letzten Gruppe von NS-Justizopfern debattiert.

Infos und Termine: www.geibev.de

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