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Rot-Grün ist nicht scharf auf Volmer

Der grüne Ex-Staatsminister kommt in der Visa-Affäre um eine Aussage vor der nächsten Landtagswahl herum. Er kann sich bei den Koalitionsabgeordneten im Untersuchungsausschuss bedanken, die einen entsprechenden Unionsantrag blockierten

aus Berlin ULRIKE HERRMANN und LUKAS WALLRAFF

Wann soll der grüne Ex-Staatsminister Ludger Volmer aussagen? Darüber stritt der Bundestags-Untersuchungsausschuss „Sicherheitsrisiko Visapolitik“ gestern bei seiner zweiten Arbeitssitzung. Union und FDP wollten Volmer schon am 17. Februar laden – nur drei Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein.

Diese Terminkollision wussten SPD und Grüne mit ihrer Mehrheit jedoch zu verhindern. Sie verlangten eine „vernünftige Reihenfolge“ bei der Beweisaufnahme und wollten sich zunächst durch einen „höheren Konsularbeamten“ in „das Recht und die Praxis der Visumserteilung“ einführen lassen. Dabei hatte der Grünen-Politiker selbst am Sonntag noch den Eindruck erweckt, er wolle möglichst schnell vor dem Ausschuss zu Wort kommen – um „das Lügengebäude“ der Union zum Einsturz zu bringen. Gestern jedoch erklärte der grüne Ausschuss-Obmann Jerzy Montag, Zeugen könnten „nicht nach Tageslaune“ gehört werden, Volmer werde frühestens im März einbestellt.

Der Untersuchungsausschuss soll kären, ob das Außenministerium durch seine Visapolitik den Menschenhandel erleichtert hat. Dabei geht es unter anderem um einen Erlass vom 3. März 2000. Angeregt von Volmer verfügte das Rundschreiben, dass „im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu entscheiden sei. Der Erlass galt weltweit, führte jedoch besonders in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu Problemen, weil Schleuserbanden die neue Großzügigkeit gezielt ausnutzten. Inzwischen ist der Erlass kassiert; es ergingen mehrere Gerichtsurteile, weitere Verfahren laufen.

Der Ausschuss beschäftigt sich zudem mit den sogenannten Reiseschutzpässen, die weltweit die Visa-Erteilung erleichtern sollten und schon von der Kohl-Regierung eingeführt wurden. Seit 2000 wurden diese Pässe von der Bundesdruckerei gefertigt, die damit von den steigenden Visa-Zahlen in Osteuropa profitierte. Dass Volmer später ausgerechnet für die Bundesdruckerei als Berater tätig war – das schien dem neuen CDU-Obmann Eckart von Klaeden gestern als ein klares Indiz, dass „die Möglichkeit eines Geschäftes auf Gegenseitigkeit“ bestehe.

Volmer umgebe ein „Modergeruch der Korruption“, befand von Klaeden. Der Grüne habe gegen Verhaltensregeln für Abgeordnete verstoßen, weil er bei seinen geschäftlichen Tätigkeiten auf seine politischen Ämter hingewiesen habe – was Volmer bestreitet. Er erklärte vergangene Woche, dass er nicht habe verhindern können, dass er seinen Geschäftspartnern als ehemaliger Minister und Abgeordneter bekannt sei. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Volker Beck warf Von Klaeden „den Straftatbestand der üblen Nachrede“ vor.

Die grüne Fraktionsspitze blieb dabei, dass sich Volmer korrekt verwalten habe, weil er seine Nebentätigkeit dem Bundestagspräsidenten gemeldet hatte. Für neue Aufregung sorgten jedoch Berichte, wonach die Firmen, die Volmer beriet, rund 400.000 Euro von der Bundesdruckerei erhalten haben. Volmer hatte letzte Woche erklärt, er selbst habe im Jahr 2004 für seine Beratertätigkeit „weniger als 18.000 Euro“ erhalten. Zu der Differenz hieß es bei den Grünen gestern zunächst: „Da müssen wir Volmer nochmal fragen“. Am Nachmittag kam man zu dem Schluss: „An unserer Einschätzung ändert sich nichts.“

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