: Stoiber: Schröders Politik schuld an NPD
Mit seiner kalkulierten Provokation hofft der CSU-Vorsitzende, Rot-Grün in die Defensive zu drängen. Doch in der Union gibt es Zweifel an der Klugheit des Vorstoßes. Viel wird von Angela Merkels Haltung abhängen – die CDU-Chefin wartet erst mal ab
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Edmund Stoiber hat es geschafft. Seit dem Wochenende wird unter den deutschen Politikern über die Frage gestritten: Wer ist denn eigentlich schuld am Erfolg der NPD? Stoibers Antwort (die Politik des Kanzlers) empört Rot-Grün und bringt die Schwesterpartei CDU in Schwierigkeiten.
SPD-Chef Franz Müntefering sprach von einem „schweren Fehler“ Stoibers. Alle Demokraten müssten gemeinsam gegen Neonazis angehen. „Streit unter uns über sie – das würde den Nazis so passen“, so Müntefering.
CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Generalsekretär Volker Kauder reagierten zunächst zurückhaltend auf Stoibers These, die Massenarbeitslosigkeit sei die „Hauptursache für das Wiedererstarken der NPD“ und „das ökonomische Versagen der Regierung Schröder“ bilde „den Nährboden für Extremisten“.
Merkel und Kauder wussten schon seit Samstag, was Stoiber in der Welt am Sonntag verkünden würde. Sie hätten, um dem Schwesterparteichef beizuspringen oder um seinen Schlagzeilen-Vorsprung einzuholen, ebenso laut und breit und klipp und klar erklären können: „Schuld am Zuwachs der NPD ist Schröders Politik der faulen Hand.“ Sie haben es nicht getan. Dieser Satz, der Stoibers Angriff noch mal zuspitzte, stammt von CSU-Generalsekretär Markus Söder. Merkel beließ es zunächst bei der Feststellung: „Der Bundeskanzler und die Bundesregierung haben erst einmal Schuld an der sehr hohen Arbeitslosigkeit.“ Die Perspektivlosigkeit der Menschen, fügte Merkel sicherheitshalber vorsichtig hinzu, führe dann sicherlich auch dazu, dass Menschen Auswege „in anderen Bereichen“ suchten. Es soll ja niemand behaupten können, Merkel habe Stoiber widersprochen.
Die führenden CDU-Politiker vermieden es bis gestern Nachmittag jedoch, die Worte „Arbeitslosigkeit“, „Schröder“ und „NPD“ in einem Atemzug zu nennen. „So mit der groben Keule, wie der Stoiber, das ist halt nicht ihr Stil“, sagte ein Vertrauter Merkels zur taz und merkte an: „Ob das ein Problem oder ein Vorteil ist, wird sich wohl erst 2006 zeigen.“
Aus der CDU-Zentrale hieß es gestern, man wolle „die Konfrontation mit der Regierung an diesem Punkt nicht vorantreiben“. Merkel habe „auf Fragen geantwortet“, sei aber generell der Ansicht, je mehr man über die NPD rede, desto größer werde sie gemacht. Wenn man ehrlich wäre, so ein Merkelianer aus der Bundestagsfraktion, müsste man zugeben: „Dass die NPD in Sachsen so stark wurde, liegt natürlich daran, dass die Hartz-IV-Reformen von sämtlichen demokratischen Parteien getragen wurden.“ Wer dagegen protestieren wollte, habe „nur zwei Optionen gehabt: PDS oder NPD“.
Merkel werde Stoiber trotzdem „bestimmt nicht widersprechen“, sondern ihn unterstützen, weil auch sie sich über Schröder geärgert habe. Der Kanzler habe schließlich „damit angefangen, den Kampf gegen die NPD zu instrumentalisieren“. Statt die Union einzubinden, habe er „zur großen Selbstbeweihräucherungsdemo gegen die NPD am 8. Mai getrommelt“.
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