: Für den Mann als schönen Pfau
„Man hat einen Anzug, und wenn man sich mal aufplustern will, kann man sich dazu verschiedene Teile aussuchen“: Harryet Lang, in Berlin lebende Modedesignerin aus der Schweiz, schneidet die Männermode neu zu. Ihre Entwürfe arbeiten gegen die Langeweile des immer Gleichen. Ein Porträt
VON HELMUT HÖGE
„ ‚Nicht wahr, es sind die Franzosen, die die Mode, sich zu langweilen, eingeführt haben?‘ ‚Nein, die Engländer‘ “, so rätselte einmal Michail Lermontow.
Die Männermode ist seit Jahrzehnten nahezu gleich geblieben: Es gibt Anzüge, dann die ganzen Sportswearsachen, wobei das immer mehr in Richtung Babyklamotten geht, und Kaufhausmode – normale Bügelfaltenhosen, Jeans, Jacken, Pullis, Hemden –, ein unauffälliger Look, den es in den Varianten billig und sauteuer gibt. Praktisch hängen in jedem Laden die gleichen Klamotten für Männer – nur zu unterschiedlichen Preisen.
„Ich wollte was Neues machen“, meint die Männermodemacherin Harryet Lang, schränkt aber sogleich ein, dass sie natürlich nichts wirklich Neues erfinden konnte: „Männerkleidung hat immer zwei Hosenbeine, zwei Ärmel und ist meist symmetrisch geschnitten. Also habe ich den Anzug so genommen, wie er ist – und ihn abgeändert. Die Kragenform, das Jackett in Länge und Taille, die Hose – oben und unten, und dann die Kombinationen: statt Hemd drunter eben etwas anderes. Am Anfang kam da etwas sehr Verspieltes raus, da habe ich mich übernommen – ich wollte zu viel. Selbst junge Männer hätten das kaum im Alltag getragen: Das wäre nur was für eine Show, wie mir die Jungs sagten, die das vorgeführt haben. Man will aber ja, dass es getragen wird, dass die Leute meine Sachen auch kaufen.“
Die 1976 in Winterthur geborene Harryet Lang studierte ab 1996 Modedesign in Zürich. Bereits nach einem Jahr zeigte sie ihr erstes Modestück: Über einem schwarzen Kleid ein Aluminiumkorsett, gefertigt aus lauter kleinen Metallplättchen. Danach absolvierte sie ein Praktikum bei der Modemacherin „Lisa D“ in Berlin, wo sie auch Kostüme für eine Jelinek-Oper nähte. Für ihr Diplom musste sie dann eine eigene Kollektion entwerfen. Danach zog sie nach Berlin. Hier bewarb sie sich bei zwanzig Modedesignern – doch nur einer antwortete: „Luzifer“ in Kreuzberg, wo man sie als Änderungsschneiderin einstellte. Nach drei Monaten wechselte sie zu „Kleidzeitlos“.
Für ihre Modeentwürfe lässt sie sich mehr und mehr vom Alltag inspirieren: „Ich denke fast immer an der Mode herum. Gelegentlich fotografiere ich auch Leute, deren Outfit mir gefällt. Manchmal gehe ich ins Café und guck mir Modezeitschriften an oder informiere mich, was die Leute in Clubs tragen oder die Läden so verkaufen.“ Außerdem achtet sie in den Kinofilmen auf die Ausstattung: „Letztens habe ich z. B. „X-Men 2“ gesehen – ein völlig bescheuerter Film, aber der Bösewicht hatte einen wahnsinnig tollen Mantel an, den ich mir anschließend sofort aufgezeichnet habe.“ Ähnliches trifft auch auf Sciencefictionserien im Fernsehen zu: „Eigentlich steh ich da gar nicht drauf, aber die tragen in solchen Filmen oft tolle Sachen: space chic. Auf Modeschauen gehe ich auch, für die Diplommodeschauen der Modeschulen gebe ich sogar gern mein Geld aus. Aber noch lieber treibe ich mich auf der Straße herum und gucke, was die Leute da so tragen. Obwohl Berlin nun wirklich keine Modestadt mehr ist“.
Ende 1999 beteiligte Harryet Lang sich erstmals an der Berliner Modemesse „Ave“ in der Treptower Arena, wo sie an ihrem Stand eine eigene Kollektion zeigte: Männeranzüge mit hohen Krägen und verschiedenen aufsteckbaren Modulen, zum Beispiel Schulterpolstern, Flügeln und Brustpolstern. Ihre Kollektion hieß „Pfauenalltag“, was so viel bedeutete wie: „Man hat einen Anzug, und wenn man sich mal aufplustern will, dann kann man sich dazu verschiedene Teile aussuchen.“
2001 machte sie beim „Walk of Fashion“ in Berlin mit. Ihre Kollektion „Redikal!01“ bestand aus zehn Outfits für Männer: 5 roten und 5 schwarzen Anzügen, die Freunde von ihr dann vorführten. Es waren relativ klassische Schnitte, die jedoch in Details – zum Beispiel bei den Krägen und in der Länge – verändert waren. Außerdem hatte sie die Jacken stärker tailliert und die oben engen Hosen nach unten sehr weit geschnitten. Als Stoff verwendete sie einen tomatenroten Baumwollstoff, von dem ihr jemand einmal einen ganzen Ballen geschenkt hatte, daneben verarbeitete sie aber auch Leinen, Seide und Polyester.
2003 beteiligte sie sich erneut am „Walk of Fashion“ in Berlin und dann auch in Winterthur. Diesmal mit einer weißen Kollektion: „Redikal!white03“, ein bisschen Rot war auch dabei – an den Rändern als Paspeln, zur Betonung des Schnitts. „Die Schnittführung war sehr kompliziert, dabei habe ich mich fast übernommen, deswegen habe ich auch nur acht statt zehn Outfits geschafft. Sie waren aber auch so teuer genug – das meiste war aus Leinen und Baumwolle. Danach hingen meine Sachen eine Zeit lang im Kreuzberger Schnitzel Shop von Heike Ebner. Die Jacken kosten durchschnittlich 180 Euro, die Hosen 85 und die T-Shirts dazu 30 Euro: Es sind Einzelstücke, aus einer Fahne genäht. Eins habe ich dort verkauft!“ Daneben verkaufte Harryet Lang auch noch eine aus Postsäcken genähte Hose. Ihr Ziel ist es, Kunden zu finden, die ihr 50 oder 100 Teile abnehmen, „die ich dann produzieren lasse – in Deutschland oder in Polen, also da, wo ich dabei sein kann.
„Dass meine Sachen in einem Laden hingen, war aber schon mal ein erster Schritt“, sagt sie. Bis zum zweiten jobbt sie unterdes übrigens im taz-shop.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen