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Keine Sünde

Verwaltungsgericht verurteilt islamisches Mädchen zum Schulschwimmen – solange es das in Hamburg noch gibt

Ein neunjähriges Mädchen islamischen Glaubens muss am Schwimmunterricht der Schule teilnehmen. Das entschied gestern das Hamburgische Verwaltungsgericht. Die Schulbehörde hatte den Eltern pakistanischer Herkunft auferlegt, das Kind zum Schulschwimmen zu schicken. Diese legten Widerspruch ein, weil von ihrer Tochter „sündiges“ Verhalten verlangt werde. Das Gericht lehnte den Antrag ab. Die Schulpflicht, so das Urteil, umfasse auch den Schwimmunterricht (AZ: 11 E 1044/05).

Die Teilnahme ihrer Tochter am koedukativ erteilten Schulschwimmen sei nach ihrer Religion eine Sünde, hatten die Eltern behauptet. Das Tragen von Badekleidung widerspreche den Vorschriften des Islam. Deshalb hatten sie im Eilverfahren auf einstweilige Befreiung des Mädchens vom Schwimmunterricht geklagt.

Die Schule könne eine Schülerin von einzelnen Unterrichtsveranstaltungen nur aus wichtigem Grund befreien, befanden nun die Richter. Dies sei hier nicht der Fall, da dem schulischen Erziehungsauftrag Vorrang gebühre. Denn grundsätzlich könne der Staat „unabhängig von den Vorstellungen und Wünschen der Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen“. So ziele der Schwimmunterricht darauf ab, dass die Kinder sich am Ende ihrer Grundschulzeit sicher im Wasser bewegen könnten, erklärte das Gericht – ungeachtet des aktuellen Herumplantschens der Bildungsbehörde (Text links).

Unter Bezugnahme auf das Bundesverfassungsgericht führt die Kammer weiter aus, dass die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren.

Gegen diese Entscheidung haben die Eltern bereits Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. SMV

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