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Ampelkoalition gescheitertEndlich!

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

Olaf Scholz entlässt den Finanzminister. Auch wenn der Zeitpunkt schwierig ist: Neuwahlen sind richtig.

Olaf Scholz bei seiner Rede zum Ende der Ampel: Nach außen noch ganz staatsmännisch, aber innerlich schon Wahlkämpfer Foto: Markus Schreiber/AP

D rei Jahre nach ihrem Start, mit fröhlichen Selfies und dem selbstgewählten Label als „Fortschrittskoalition“, ist die erste Ampel-Koalition der Bundesrepublik Geschichte. Und die Frage ist, ob dies nun endlich passiert ist oder ausgerechnet jetzt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP). Und er nutzt diesen Anlass, um die wohl beste Rede zu halten, die er als Bundeskanzler gehalten hat. Statt Scholzomatischer Robotik spricht er in klaren Sätzen: Lindner habe sein Vertrauen gebrochen, habe parteitaktisch agiert.

Es ist eine für Scholz' Verhältnisse emotionale Abrechnung mit seinem Finanzminister, den er noch bis vor kurzem immer verteidigt hat, oft zum Missfallen seiner eigenen Partei und seines zweiten Koalitionspartners, der Grünen.

Scholz hat diesen Schritt für Mittwochabend offenbar genau geplant: Denn er ist nicht nur klar in seiner Abrechnung, sondern auch in dem, was jetzt folgen soll: Bis Weihnachten will er die wichtigsten Gesetze in den Bundestag einbringen, um damit die Wirtschaft zu stärken. Mitte Januar will er die Vertrauensfrage stellen, damit es Ende März Neuwahlen gibt – passenderweise kurz nach den Bürgerschaftswahlen in der SPD-Hochburg Hamburg.

Mit diesem Zeitplan setzt Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz unter Druck. Zieht der mit, stärkt er seinen Konkurrenten ums Kanzleramt im Wahlkampf. Boykottiert Merz die Reformen zur Stärkung der Wirtschaft, könnte Scholz ihm vorwerfen, dass ihm Parteitaktik wichtiger ist als das Wohl des Landes.

Scholz mutiert zum Wahlkämpfer

Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA hatten viele erwartet, dass sich die Bundesregierung an diesem Abend noch einmal zusammenraufen werde. Tatsächlich sah der für heute angesetzte Krisengipfel ja noch mal provinzieller aus als ohnehin schon: Da gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie der Welt, die Zukunft des Westens ist ungewiss, und der deutsche Finanzminister will bei einem abendlichen Proseminar seinen Koalitionspartnern seine Vorstellungen von Ordoliberalismus erklären.

Doch diese Koalition ist nicht an ein paar Milliarden im Haushalt gescheitert. Lindner war längst in den Wahlkampfmodus übergegangen und handelte nur noch aus Parteitaktik. Selbst das Ergebnis der US-Wahlen hat offenbar nicht dazu geführt, dass der Finanzminister zurück in die staatspolitische Verantwortung wechselt.

Mit dem heutigen Tag ist nun auch Scholz zum Wahlkämpfer mutiert, auch wenn er nach außen sein Handeln natürlich ganz staatsmännisch mit dem Wohle Deutschlands begründet. Bleibt die Frage, warum er so lang dafür gebraucht hat, um zu erkennen, dass mit dieser FDP kein Staat mehr zu machen war, in einer langen Wirtschaftskrise und mit einem Krieg in Europa. Und ob die Wählerinnen und Wähler ihm dieses lange Abwarten bei den kommenden Neuwahlen noch vorwerfen werden oder sie vergesslich genug sind.

Nicht weiter durchwurschteln

Am 20. Januar wird Donald Trump in den USA vereidigt. Nach dem Zeitplan von Olaf Scholz steht dann bereits ein Wahltermin fest. Deutschland ist ab heute im Wahlkampf. Und es ist eine absurde Vorstellung, dass der Bundeskanzler über die Marktplätze der Republik turnen soll, um noch ein paar Rentner von der Sozialdemokratie zu überzeugen, während Trump die Weltordnung verändert, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Westen, aber auch die Ukraine, Israel und Palästina.

Aber ist der Schritt hin zu Neuwahlen deshalb falsch? Es stimmt, das Timing ist schwierig, und Stabilität kann manchmal ein Wert für sich sein. Doch ein Weiter-so der Ampel wäre eine noch schlechtere Nachricht gewesen. Denn eine Lehre aus Trumps Wahlsieg ist auch: Mitte-Parteien, die sich weiter durchwurschteln, haben gegen den Rechtspopulismus auf Dauer keine Chance.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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4 Kommentare

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  • Für mich ist das ein Déjà-vu. War da nicht schon einmal so etwas Ähnliches? Hieß der Kanzler damals nicht Helmut Schmidt? Nur hatten die FDP-Granden damals ganz andere Namen und ein Format, von dem Herr Lindner nicht einmal zu träumen wagt. Sie waren sogar schnell genug, selbst zu gehen, bevor sie entlassen werden konnten und ermöglichten dadurch - allerdings in vollkommen unvorhersehbarer Weise - einen der größten Momente der deutschen Nachkriegsgeschichte: Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag.



    Nun, das werden wir mit Herrn Lindner wohl nicht erleben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die FDP nach einer Neuwahl nicht mehr im Bundestag vertreten ist und Herr Merz gewisse Schwierigkeiten haben wird, eine Regierung zu bilden.

  • Das war heute wirklich ein Wechselbad der Gefühle.



    Anfangs Anflug von Resignation aufgrund des US-Wahlergebnisses, dann die große Erleichterung nach dem schon lange überfälligen Befreiungsschlag des Kanzlers.

    Die Erklärung die Olaf Scholz dann vor der Presse und allen Bürgern abgegeben hat, war wohltuend klar und nicht so "verdruckst" wie die Erklärungend von Annalena Bärbock und Robert Habeck. Ist ja aber auch nicht so leicht sich hinzustellen und das Ende einer Regierung zu verkünden.

    Bleibt nur zu wünschen, dass SPD und Grüne bis zur Neuwahl noch in den Umfragen zulegen. Ansonsten werden Regierungsbildungen immer schwieriger. Wohin das führt hat die Ampel-Koalition in den letzten drei Jahren vorgeführt... bis zum bitteren Ende.



    Endlich!

  • Endlich, war wirklich lang überfällig.



    Seit das Verfassungsgericht ihnen die Corona Milliarden weggenommen hat, ist das keine funktionierende Regierung mehr. Die gingen sich nur noch gegenseitig an die Gurgel und so wäre es auch das letzte Jahr weiter gegangen.

    Und als Lehre aus den USA würde ich hiesigen Politikern empfehlen, geht wieder zu den Leuten!



    Und damit meine ich explizit die "kleinen" Leute. Es reicht nicht bei euren Besuchen irgendwo bei ner Firma, bei nem Verein oder bei "Bürgerdialogen" nur mit den Chefs und leitenden Angestellten zu reden, oder bei diesen ominösen Dialogen nur mit ausgewählten, eher besser gestellten Vertretern der Gesellschaft zu reden.



    Sie müssen zu den Leuten an den Fließbändern, der Supermarkt Verkäuferin (nicht den Regionalleiter), den Maurer der grade einen Stein in der Hand hat, und nicht zum Baulöwen im Anzug mit Zigarre im Mund.

    Genau das hat Trump nämlich gemacht, und Harris nicht. Ergebnis ist bekannt. Genau das macht auch die AFD und BSW und die letzten Wahlergebnisse sind ebenfalls bekannt...

  • Endlich!!!



    Die Überschrift trifft es. Dieser Typ geht schon viel zu lange nicht mehr klar.