Feministische Filmkritik auf YouTube: Die alte Frau als Gruselvorlage
Der YouTube-Kanal „Broey Deschanel“ mischt Filmkritik, Popkultur und Sozialwissenschaft. In der aktuellen Folge geht es um das Älterwerden im Film.
Was ist gruseliger als alte Frauen? Kaum etwas, wenn man Horrorfilmen glaubt. In Kubricks „The Shining“ ist es der Geist einer greisen Frau, die nackt aus der Badewanne steigt und Jack verstört. Auch die unheimliche Oma aus „Drag Me to Hell“ gehört dazu.
Und das wohl berühmteste Beispiel: die mumifizierte Mutter von Norman Bates in Hitchcocks „Psycho“. Beispiele gibt es unzählige, denn alte Frauen sind zu einem Motiv geworden – besonders ihr Körper –, das erschreckend gut funktioniert.
Das analysiert Host Maia Wyman auf ihrem YouTube-Kanal „Broey Deschanel“. Gemeinsam mit einem kleinen Rechercheteam taucht sie dort tief in Popkultur und Filme ein, interpretiert sie aus feministischer Perspektive und beleuchtet sie im Kontext sozialwissenschaftlicher Theorien.
Zuletzt war der Film „The Substance“ der französischen Regisseurin Coralie Fargeat dran: der Body-Horror-Hit des Jahres. Und ein feministischer dazu stellt er doch unrealistische Schönheitsstandards und das ultimative Grauen – das vorm Altern – bei Frauen infrage.
Empfohlener externer Inhalt
Broey Deschanel: „Hag Horror: Why Are We So Afraid of Old Women?“
Falten, Buckel, graues Haar
Nicht gut genug, findet Maia Wyman. Denn für das Spektakel (den Horror vor Falten, grauem Haar und buckeligem Rücken) opfert der Film seine gut gemeinte Intention. Die Jumpscares seien fast ausschließlich von Nahaufnahmen alternder Körperteile belegt.
„The Substance“, so Wyman, reproduziert damit genau das, wogegen der Film eigentlich protestieren möchte, und betreibt Hagsploitation – ein Kofferwort aus hag, also ein altes Weib, und exploitation, also Ausbeutung –, wie so viele Horrorfilme zuvor.
Wyman stützt ihre Argumente auf gründliche Recherchen und ihr Wissen über Filmtheorie. Bleibt das Format doch recht ernst, hat man gleichzeitig nicht dieses ätzend-prätentiöse Gefühl, dass einen oft heimsucht, wenn man sich mit Filmanalysen auseinandersetzt. Außerdem erfrischend: eine weibliche Stimme in diesem Bereich. In der deutschen Welt der Filmkritik sind diese nach wie vor rar – zumindest auf YouTube. Ein Blick nach Kanada zu „Broey Deschanel“ lohnt sich also.
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